Die GemüseAckerdemie ist ein Bildungsprogramm von Acker

Acker Porträt 01. November 2021

Die AckerPerle Werkstattschule Rostock

Was für ein schöner Kürbis! Werkstattschule Rostock

Bianca Krug ist AckerLehrerin an der Werkstattschule Rostock. Das Besondere an der Schule ist der Werkstattunterricht – im Rahmen dieses Unterrichts wird auch der Acker der Schule gehegt und gepflegt. Und weil die Werkstattschule Rostock ihren Acker und die GemüseAckerdemie besonders erfolgreich integriert hat, gehört sie zu unseren „AckerPerlen“. Für diese Rubrik haben wir im Rahmen unserer Wirkungsanalyse Interviews mit den Schulleitungen, Lehrer*innen und Schüler*innen von AckerSchulen gemacht, die durch ihre besonderen Schulkonzepte auffallen. Um ein umfassendes Bild vermitteln zu können, stellen wir euch insgesamt neun dieser AckerPerlen in den kommenden Wochen vor. Heute kommt die sechste AckerPerle: Die Werkstattschule Rostock!

Autorin: Lena Hetzer / Acker e.V.
Fotos: Werkstattschule Rostock

Steckbrief

Ort: Rostock  

Bundesland: Mecklenburg-Vorpommern

Schulform: Gesamtschule mit Grundschule und gymnasialer Oberstufe (Ganztagsschule)

Schüler*innen: 540

AckerKlassen: 5. und 6. Klassenstufe

Anzahl Lehrer*innen / Mitarbeiter*innen: 33 (Sekundarstufe), 20 (Grundschule)

Anzahl AckerLehrer*innen: 2

AckerSchule seit: 2019

Größe des Ackers: 100 m2

Die Werkstattschule in Rostock ist eine Ganztagsschule in freier Trägerschaft, die sich 1998 aus einer Eltern- und Lehrer*inneninitiative heraus gegründet hat. Anspruch der Schule ist es, neue zukunftsweisende Wege für das Lernen zu gehen sowie lebenslanges Lernen zu fördern. Zur Unterrichtsgestaltung gehören integrative Unterrichtsformen, altersgemischter Unterricht sowie individuelles und binnendifferenziertes Lernen. Im Rahmen der Lernkultur der Werkstattschule soll sich jedes Kind angenommen fühlen und seine Bedürfnisse berücksichtigt werden. Das Besondere der Schule ist der Werkstattunterricht: Hier beschäftigen sich die Kinder drei bis vier Wochen pro Halbjahr mit einem Thema und erarbeiten gemeinsam, altersgemischt und fächerübergreifend Kenntnisse und Arbeitstechniken. Auch der Acker der Schule wird für die Werkstätten genutzt. Zum Thema Mittelalter wurde von einer Gruppe Schüler* innen beispielsweise Salbe aus Ringelblumen hergestellt und Rote Bete zum Färben von Stoffen verwendet. Im Rahmen übergreifender Projekte kann sich die ganze Schule am Acker bedienen. Ansonsten kümmern sich Fünft- und Sechstklässler*innen jeweils 1,5 Stunden pro Woche um den Acker, der in ein Lernbüro (Unterrichtsformat des handlungsorientierten Lernens) integriert ist.

„Ich wollte natürlich einen zentralen Garten haben, den man sofort sieht und der von allen einsehbar ist. Damit er gelebt wird, dieser Schulgarten.“ (Bianca Krug)

Die Initialzündung zur Einrichtung des Ackers kam von der Biologie- und Deutschlehrerin Bianca Krug, die schon länger die Idee hatte, ein solches Projekt zu starten. Der Respekt vorm Arbeitsumfang und vor der alleinigen Verantwortung brachten sie schließlich dazu, mit der GemüseAckerdemie Kontakt aufzunehmen. Bereits drei Tage später wurde der Spaten angesetzt und ein Stück Rasenfläche umgegraben. Die GemüseAckerdemie beschreibt sie als „Rundum-sorglos-Paket“, denn sie „nimmt einem einen Großteil der Arbeit ab“.
Das niedrigschwellige Angebot sei „realitätsnah, umsetzbar und schnell anwendbar“. Auf dem Acker wird Bianca Krug mittlerweile von ihrer Kollegin Jessica Feiertag unterstützt, die Biologie und Mathematik unterrichtet und es als „großen Schatz“ betrachtet, in den Schulgarten mit reinzuwachsen und von der Erfahrung ihrer Kollegin zu profitieren. Zu zweit sind die beiden nun wöchentlich mit 15 Kindern auf dem Acker und achten darauf, dass alles läuft und alle Arbeit haben. Allein sei das schon sehr wuselig, aber „wenn man zu zweit den Blick darauf hat, bietet es einem auch Momente, in denen man mit den Kindern staunen und sich etwas genau angucken kann“, erzählt Jessica Feiertag. Bianca Krug findet es besonders schön, dass sich der Acker direkt neben ihrem Klassenraum befindet, denn „dann kann ich im Sommer beobachten, wie Schüler kommen, die sich mal ein Salatblatt oder eine Tomate pflücken“. Merle (10 Jahre) und Arved (12 Jahre) finden es gut, wenn dann auch mal was aus dem Gemüse gekocht wird. Ali (13 Jahre) erinnert sich an die Kürbissuppe, die sie gemacht haben: „Die war sehr lecker!“ Immer wieder gehen die beiden Lehrerinnen mit den Kindern in die Küche und verarbeiten die Sachen, die sie ernten.

„Ich würde mir wünschen, dass wir öfter im Schulgarten arbeiten können und nicht nur einmal in der Woche und dass die Mensa auch Sachen aus dem Schulgarten verwendet.“ (Merle, 10 Jahre)

Arved findet es „cool, dass wir draußen im Garten arbeiten können“. Es sei einfach gut sich körperlich zu bewegen und Pflanzen wachsen zu sehen. Abdallah (11 Jahre) mag den Acker vor allem deshalb, „weil man mehr machen kann als im Unterricht und nicht nur die ganze Zeit rumsitzt und nachdenkt“. Die AckerLehrerinnen sind ebenso begeistert von ihrem Vorzeigeprojekt, von dessen Mehrwert mittlerweile die ganze Schule überzeugt ist. „Ich habe den Moment vor Augen, wo ein Schüler neulich in den großen Laubhaufen reinfasste und sagte: Wahnsinn, das ist ja warm!“, erzählt Jessica Feiertag begeistert. Besonders berührt und fasziniert ist sie, wenn die Schüler*innen Aha-Erlebnisse haben, beispielsweise dass Tomaten nicht immer unbedingt rot sein müssen oder dass Fencheltriebe essbar sind und ihnen gut schmecken. Momente der Begeisterung erlebt die AckerLehrerin auch bei sich: „Man selbst bekommt ein ganz anderes Knowhow. Wenn man da als Lehrerin steht und denkt: Wow, krass, was ich heute wieder gelernt habe!“
Bianca Krug erzählt vom Komposthaufen und davon, dass Schüler*innen erstaunt feststellen: „Huch, der lebt ja! Da wimmelt es nur so von Lebewesen!“ Selbst wenn die Schüler*innen tausend Arbeitsblätter ausfüllen, hätte es nicht denselben Effekt. Ergänzend sagt Bianca Krug: „Wenn wir Arbeiten einteilen, dann wissen die Schüler*innen mittlerweile auch, was sie zu tun haben und ihr Blick wird geschärft. Sie überlegen, sie gucken sich ihre Umwelt bewusst an und haben Achtung davor. Man merkt, dass sie umsichtiger geworden sind.“

„Es gibt ja drei Hauptfächer: Englisch, Deutsch und Mathe und da soll Gartenarbeit noch mit dazu, als viertes Hauptfach.“ (Arved, 12 Jahre)

Bisher wird der Acker sporadisch auch mal im Biologieunterricht eingebaut. Beim Thema Artenvielfalt geht Bianca Krug „auch schnell mal mit der Schulgruppe draußen gucken und beobachten“, zum Beispiel die Vögel, die sich Samen holen. Die AckerLehrerinnen haben sich vorgenommen den Klassenraum öfter zu verlassen und wünschen sich noch mehr Wahrnehmung und Einsatz des Ackers in den anderen Fächern wie Deutsch, Musik oder Kunst. „Grundsätzlich ist denkbar, auch im Mathematikunterricht in den Garten zu gehen, zum Beispiel für das Thema ‚Größen‘ in der Fünften und etwas auszumessen. Das muss sich noch etablieren.“ Dafür müsse man „ein bisschen aus den Bewertungsstrukturen ausbrechen und die Fantasie spielen lassen“, meint Jessica Feiertag. Ihre Kollegin pflichtet ihr bei: „Jeder hat andere Ideen und einen anderen Blick auf den Schulgarten und das bereichert und steckt wieder andere Kollegen an.“ Jessica Feiertag findet auf dem Acker den Aspekt des „voneinander Lernens“ besonders wichtig. „Ich habe nirgendwo anders so oft den Moment im Unterricht, wo ich denke, das weiß ich auch nicht. Und dann müssen wir das zusammen herausfinden.“ Sie empfindet den Acker als spontanen und natürlichen Lebensraum, in dem viel stärker improvisiert werden muss als in einem strikt getakteten Mathematikunterricht. „Da muss man ein Stück weit abgeben. Spontanes Zulassen muss man auch als Lehrerin lernen!“, ergänzt Bianca Krug.

„Wenn man eine Gartensaison miterlebt hat, dann weiß man ungefähr, wie der Hase läuft!“ (Bianca Krug)

Im zweiten AckerJahr fühlt sich Bianca Krug schon wesentlich sicherer und selbständiger und ist dennoch froh über jegliche Unterstützung. „Es entlastet mich, wenn ich es nicht allein machen muss.“ Anfangs hatte sie Zweifel, ob sie genug wisse und ob die Schüler*innen Lust auf den Acker hätten. Im Gespräch erzählt sie stolz und begeistert, dass der Acker jetzt zu einem Vorzeigegarten geworden sei – „wie im Katalog“ – und Anerkennung von vielen Kolleg*innen ernte. Auch die Schüler*innen nehmen das Angebot gerne an und machen mit. Manche haben bereits zum dritten Mal das Lernbüro „GemüseAckerdemie“ gewählt. Auch der Hausmeister der Schule hat einen Blick auf den Garten. Im Sommer unterstützt er beim Gießen und im Herbst harkt er Laub und legt es für den Acker bereit.

„Dienstags muss ich kein Gemüse kaufen, sondern es gibt immer frisches Gemüse aus der Schule.“ (Christiane Martens, Mutter von AckerSchüler Leon)

Dienstags kommt Leon (12 Jahre) aus dem Lernbüro „GemüseAckerdemie“ oft mit einem Säckchen Gemüse nach Hause und überrascht seine Mutter mit Gemüsesorten, die sie bisher noch nicht kannte. „Es waren zum Beispiel irgendwelche Bohnen dabei und ich wusste gar nicht, wie ich die zubereiten sollte. Oder Rote Bete, die ich sonst nicht unbedingt frisch gekauft habe. Es hat uns immer angeregt, was Besonderes zu kochen.“ Auch Leon gefällt es, das Gemüse zu verarbeiten. Nicht nur, weil er Vegetarier ist, sondern auch, weil er das Anbauen in der Schule sehr gerne macht. Seine Mutter ist dankbar über Rezeptideen, die es von der AckerLehrerin dazu gibt. „Frau Krug hat tolle Rezepte weitergegeben und konnte mir sagen, wie das Gemüse verarbeitet wird.“ Die ganze Familie hat durch Leon ebenfalls Lust auf Gemüseanbau bekommen, sodass sie sich vor einem Jahr einen Kleingarten angeschafft haben. „Das ist Ihnen zu verdanken, weil Leon so einen Spaß hatte an der GemüseAckerdemie.“ Hier ist Leon der Profi, der seiner Familie erklärt, welche Abstände man beim Pflanzen einhält, wie man einsät oder was die einzelnen Gemüsearten zum Gedeihen brauchen. Und trotzdem hat er noch nicht genug vom Ackern und meint: „Ich hätte gerne noch öfter GemüseAckerdemie und würde das Programm erweitern. Vielleicht größere Beete, sodass mehr Menschen da mithelfen können.“

Mach deine Schule zur AckerSchule!

Auf dem eigenen Acker erleben Schüler*innen, woher das Essen auf unseren Tellern kommt – und wie lecker frisches Gemüse schmeckt. Die GemüseAckerdemie unterstützt teilnehmende Pädagog*innen mit Bildungsmaterialien, Fortbildungen und persönlicher Beratung.