Nachhaltiges Lehren lernen: die CampusAckerdemie im Praxistest
Hier wächst nachhaltige Bildung: Studierende und Dozierende des Grundschullehramts auf dem CampusAcker der Uni Bamberg Benjamin Herges/Universität Bamberg
2022 ist die CampusAckerdemie ins zweite Pilotjahr gestartet und schon jetzt steht fest: Beim Hochschul-Bildungsprogramm von Acker e. V. konnten alle Beteiligten viel dazulernen – die Studierenden, die Dozierenden und auch wir.
Wenn Studierende in Gummistiefeln zum Seminar erscheinen, ist entweder Regenwetter oder CampusAckerdemie. So wie auf dem CampusAcker der Uni Bonn, wo Lehramtsstudent Matthias vor dem Beet kniet und behutsam junge Kohlrabipflanzen in die Erde setzt. Gemeinsam mit zahlreichen Kommiliton*innen hat er für die Seminarstunde Laptop gegen Gartenschaufel getauscht und wird in diesem Semester eigenhändig lernen, wie Kartoffeln gelegt, Tomaten ausgegeizt und Pastinaken zubereitet werden.
Mit den Gemüsepflanzen wächst die Wertschätzung der Studierenden für Natur und Lebensmittel – dieses Bewusstsein sollen sie später auch ihren Schützlingen in Schulen und Kitas vermitteln. „Wir haben Kinder beobachtet, die gar nicht wussten, dass an der Möhre oben etwas Grünes wächst. Mit der CampusAckerdemie möchten wir etwas gegen diese Entfremdung tun und Kindern die Natur wieder näherbringen“, erklärt Didaktik-Dozent Dr. Jonathan Hense, der sich seit Jahresanfang für das praxisorientierte Bildungsprogramm von Acker engagiert.
Erfolgreicher Start in die Saison
2022 ist die CampusAckerdemie ins zweite Pilotjahr gestartet – und das gleich mit einem Erfolgserlebnis: Zehn teilnehmende Hochschulen waren anvisiert; elf sind nun dabei. Nach Auftaktworkshops mit Dozierenden und Gemüseexpert*innen von Acker starteten die teilnehmenden Hochschulen von Rostock bis Eichstätt Anfang April in die Saison.
Im April startete die Saison auf den CampusÄckern – wie hier an der Uni Bonn Acker e. V.
Flexible Lösungen vom Klein- bis zum Klostergarten
Dabei ist jeder CampusAcker so individuell wie die Uni selbst: Ackern die Studierenden der TU Dresden im Botanischen Garten, darf die Studierendenschaft der KU Eichstätt im ehemaligen Kapuzinerkloster jäten, hacken und mulchen. Auch für Hochschulen mit knappem Platzangebot finden sich praktikable Lösungen. Möglich macht das die flexible Konzeptionierung des Bildungsprogramms, das passgenau auf die jeweiligen Anforderungen und Rahmenbedingungen der Hochschulen abgestimmt wird.
Individuell anpassen lässt sich auch der Seminarplan: „Gemeinsam mit den Dozierenden haben wir in diesem Jahr neun verschiedene Unterrichtseinheiten für den Acker entwickelt, die wir den Hochschulen nun an die Hand geben können“, erklärt Lena Rothe, die bei Acker e. V. Konzepte und Inhalte der CampusAckerdemie verantwortet. Der modulare Aufbau lässt den Dozierenden viel Spielraum in der Umsetzung. So konnten zum Beispiel Lehramtsstudierende der KU Eichstätt an verschiedenen Schulen mit Schulgarten unterrichten und wertvolle Praxiserfahrungen sammeln.
Teamwork über Fächer- und Campusgrenzen hinaus
Erfahrungen wie diese machen die CampusAckerdemie zum gemeinsamen Praxisprojekt, das von der Begeisterung und regen Beteiligung der Teilnehmer*innen lebt. Auf diese Weise werden die Inhalte und Methoden des Bildungsprogramms von vielen Köpfen weiterentwickelt und eignen sich somit für ein breitgefächertes Curriculum: Neben Lehramtsstudierenden lernen in diesem Jahr auch Kommiliton*innen aus den Agrar- und Forstwissenschaften der TU München die Grundsätze des ökologischen Landbaus kennen und tauschen ihr Fachwissen im Seminarraum wie auf dem Acker aus.
Mehr noch: Viele Studierende und Dozierende vernetzen sich auch jenseits ihrer Campusgrenzen, um mit- und voneinander zu lernen. Die Uni Bonn arbeitet sogar institutionsübergreifend mit der Verbraucherzentrale NRW zusammen. Im Rahmen der CampusAckerdemie lernen Studierende beim Projekt „Nachhaltige Ernährung im Studienalltag“ (NeiS), wie sie Lebensmittelabfälle vermeiden und sich klimaschonend ernähren.
Theorie und Praxis sinnvoll kombiniert
Auf dem CampusAcker wird graue Theorie zu Roter Bete: „Es ist total schön zu sehen, wie das alles hier wächst und dass man am Ende auch was ernten kann“, freut sich Lehramtsstudent Matthias, dem das Lernen mit den Händen sichtlich Spaß macht. Neben dem wöchentlichen Ackern erfahren die Studierenden in Workshops mehr über Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) und unternehmen Exkursionen zu Lernorten der GemüseAckerdemie, dem Schul-Bildungsprogramm von Acker.
Die Verzahnung von Theorie und Praxis wirkt indes auch in die andere Richtung; die praktischen Erfahrungen von CampusAcker und Klassenzimmer fließen in zahlreiche Forschungsprojekte mit ein. Jüngstes Beispiel: Auf dem Symposium zur Vernetzung von Fachwissenschaft und -didaktik an der Uni Bremen konnten Dozierende der TU Berlin einem Fachpublikum erste Ergebnisse des Projekts präsentieren.
Hochschulen nachhaltig attraktiver machen
Viel wird derzeit über die Hochschule der Zukunft diskutiert – eines ist sie in jedem Fall: nachhaltig. Dafür, auch das hat das laufende Pilotjahr gezeigt, bietet die CampusAckerdemie ideale Voraussetzungen.
Mit dem CampusAcker gewinnt jede Hochschule einen naturnahen Freiluft-Lernort, der Nachhaltigkeitsthemen wie Ressourcenschonung und gesunde Ernährung im Uni-Alltag verankert. Wo Studierende und Dozierende gemeinsam ackern, wächst nicht nur Palmkohl und Salat, sondern auch Wissen und Gemeinschaft.
Da haben wir den Salat! Studierende der Uni Bamberg und der zweite Bürgermeister der Stadt präsentieren dem Presseteam des „Fränkischen Tags“ stolz ihr selbst geerntetes Gemüse. Benjamin Herges/Universität Bamberg
Ein überzeugendes Konzept also – davon ist auch der Förderverein startsocial e. V. überzeugt und hat die CampusAckerdemie im September zur „startsocial Stipendiatin“ erkoren. Das Stipendium beinhaltet eine viermonatige Beratung durch ehrenamtliche Coaches, von der auf lange Sicht auch die Studierenden und Dozierenden profitieren werden.
Und was hat der Bonner Lehramtsstudent Matthias in dieser Saison noch vor? „Dass wir die Ernte im Kurs dann zusammen verkochen – da freue ich mich am meisten drauf!“