Acker Porträt 20. April 2023

Mit der CampusAckerdemie für mehr Nachhaltigkeit an der Hochschule: So ackert die Universität Bonn

Studierende auf dem CampusAcker der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn Gregor Hübl / Universität Bonn

Bis 2030 wollen wir es möglich machen, dass jedes Kind in Deutschland erleben kann, wie Lebensmittel auf dem Acker natürlich wachsen. Um dieses große Ziel zu erreichen, müssen wir auch die Ausbildung zukünftiger Pädagog*innen verändern: In unserem Hochschulprogramm CampusAckerdemie ackern angehende Lehrkräfte und Erzieher*innen für eine Generation, die weiß, was sie isst – und lernen auf dem eigenen CampusAcker alles rund um den wirkungsvollen Gemüseanbau im Lehrgarten. Eine von 12 teilnehmenden Hochschulen in diesem Jahr: Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn.

Steckbrief 

Ort: Bonn 

Bundesland: Nordrhein-Westfalen  

Studierende insgesamt: 33.000 

Studierende auf dem Acker: 20 

Dozierende CampusAckerdemie:

CampusAckerdemie seit: 2022 

Größe des Ackers: 250 m² 

Großer Andrang auf dem CampusAcker

Mitten auf dem Campus der Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, zwischen Hörsaalgebäude und Mensa, befindet sich auf 250 Quadratmetern der Acker der CampusAckerdemie. Täglich gehen dort Tausende von Studierenden vorbei, manche bleiben am Zaun stehen und fragen neugierig, ob man denn da mitmachen – oder zumindest mal ein bisschen Gemüse mopsen kann. Bewirtschaftet wird der Acker von Dr. Jonathan Hense, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Biologiedidaktik, gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Amélie Tessartz und 20 Studierenden. 

„Der Acker hat das Bild der Uni auf jeden Fall verändert“, stellt Jonathan fest. Denn eine eigene Ackerfläche, auf der Studierende Gemüse anbauen können, das gab es vor der CampusAckerdemie nicht an der Uni Bonn. Die Idee für die Teilnahme am Bildungsprogramm von Acker e. V. kam vom Projekt „NEiS – Nachhaltige Ernährung im Studienalltag“, einer Kooperation mit der Verbraucherzentrale. Das Prorektorat für nachhaltige Entwicklung der Universität Bonn griff die Idee auf und setzte den CampusAcker direkt um.  

Es ist nicht das erste Projekt, mit dem die rheinische Universität Bildung für nachhaltige Entwicklung in den Hochschulalltag integriert: im Programm „BOOST – Bonn Program for Sustainable Transformation“ werden verschiedene Angebote und Ansätze umgesetzt, um die Universität nachhaltig umzugestalten, zum Beispiel das Projekt „Klimawandel – Learning for future“. An der CampusAckerdemie findet Jonathan Hense besonders spannend, dass sie angehende Lehrer*innen zu Multiplikator*innen ausbildet, die später an ihren eigenen Schulen die Initiative für einen nachhaltigen Lernort anstoßen können. Und mit seiner Begeisterung ist er nicht allein: Für die erste Saison auf dem CampusAcker bewarben sich doppelt so viele Studierende, wie es Plätze gab.

Nachhaltigkeit aus verschiedenen Perspektiven 

Die CampusAckerdemie ist Teil eines optionalen Lehrangebots und findet außerhalb der normalen Lehrveranstaltungen statt. Belohnt wird die freiwillige Teilnahme mit einem Zusatz-Zertifikat. Langfristig ist geplant, die CampusAckerdemie in einen neuen, interdisziplinären Zertifikatsstudiengang zum Thema Nachhaltigkeit zu integrieren. „Uns ist es sehr wichtig, das Thema Nachhaltigkeit aus verschiedenen Fachperspektiven zu beleuchten“, erklärt Jonathan Hense. Auf dem CampusAcker in Bonn ackern deshalb Lehramtsstudierende aller Fachrichtungen miteinander – Religion, Deutsch oder Englisch genauso wie Mathematik, Physik und andere Fächer. Das solle auch in Zukunft so bleiben. Auch bei der Konzeption und Durchführung werden zukünftig, neben der Biologiedidaktik, die von Jonathan und seiner Kollegin vertreten wird, Dozierende vieler verschiedener Fachbereiche zusammen die Bildungsangebote für die AckerStunden gestalten – immer im Hinblick darauf, wie Nachhaltigkeit in der entsprechenden Fachdisziplin gelebt und praktisch umgesetzt werden kann.   

Ackern auf Augenhöhe 

Jonathan Hense und Amélie Tessartz starten die erste AckerStunde der Saison mit Teambuilding-Methoden, Kennenlernspielen – und dem „Acker-Du“. Ihnen sei wichtig, nicht in einer übergeordneten Position aufzutreten, sondern den Acker gemeinsam auf Augenhöhe mit den Studierenden zu gestalten. Mit der CampusAckerdmie möchte Jonathan seinen Studierenden einen Erfahrungsraum anbieten, in dem sie sich selbstbestimmt bewegen und ihre Erlebnisse und Empfindungen reflektieren können. Er finde es wichtig, dass die Studierenden Nachhaltigkeit selbst fühlen statt nur kognitiv darüber nachzudenken. Durch das Ackern bekämen die Studierenden einen anderen Bezug zur Nahrungsmittelproduktion, beobachtet der Dozent: „Sie erfahren, wie viel Arbeit in frischem Gemüse steckt – vom Anbau bis zur Ernte. Da entsteht eine ganz große Wertschätzung.“ Genau das sei für ihn der Inbegriff von Nachhaltigkeit, „wenn es den Personen selbst bewusst wird und nicht versucht wird, sie zu belehren.“ 

Die AckerCoaches unterstützen beim Gärtnern 

Das Ackern ist für viele Studierende eine neue Erfahrung – nur wenige haben Erfahrung mit dem Gärtnern. Damit die landwirtschaftliche Praxis nicht zu kurz kommt, werden die AckerStunden bei der CampusAckerdemie nicht nur von den Dozierenden der jeweiligen Hochschule begleitet. Sie wechseln sich mit den AckerCoaches ab, den Expert*innen von Acker e. V., die den fachlich-gärtnerischen Teil des Bildungsprogramms vermitteln: von unterschiedlichen Pflanz- und Aussaattechniken bis zum richtigen Umgang mit Spaten, Hacke und anderen Ackergeräten. „Die Zusammenarbeit mit dem AckerCoach war total toll, wir haben uns in unseren Bereichen perfekt ergänzt“, berichtet Jonathan. Durch die praktische Unterstützung haben sich die Dozierenden ganz auf die didaktische Umsetzung der AckerStunde konzentrieren – und gärtnerisch selbst noch einiges dazulernen können.  

Dazugelernt haben auch die Studierenden. Besonders die Ernte sorge laut Jonathan immer für einen Aha-Effekt und große Begeisterung: „Die Studierenden haben einen Kohlrabi von der Pflanzung mit allen Pflegeschritten bis zur Ernte begleitet und mit ihren eigenen Händen angebaut – da ist es auch egal, wenn er etwas schräg und holzig ist, der ist dann einfach total lecker!“ Auch Gemüse, das die Studierenden aus der Kindheit als unappetitlich abgespeichert haben, schmecke vom eigenen Acker oft viel besser. Zukünftig soll auch die gemeinsame Verarbeitung der Ernte in der CampusAckerdemie noch stärker in den Fokus des Bildungsprogramms gerückt werden. 

Vom Hörsaal in die Gummistiefel 

Für Jonathan Hense ist klar: Der Acker hat sich gelohnt. Mit den Studierenden draußen handwerklich und ganz ohne Notenstress zu arbeiten, mache einfach Spaß. Auch die Studierenden seien motiviert: „Selbst als es in Strömen geregnet hat, haben alle weiter geackert mit einem Lächeln im Gesicht. Und sind danach nass bis auf die Unterhose in die nächste Uni-Veranstaltung gegangen.“ Für die Ackerpflege in den Semesterferien sei kurzerhand eine Messenger-Gruppe eingerichtet worden, in der sich die Studierenden absprechen, was zu tun ist und wer welche Aufgabe übernimmt. Wenn keine Semesterferien seien, berichtet Jonathan, dann zögen sich die Studierenden nach der „Einführung in die Algebra“-Vorlesung die Gummistiefel an und kämen nach der AckerStunde mit dreckigen Fingernägeln zurück zum Germanistik-Seminar. „Diese andere Art zu arbeiten ist extrem bereichernd für den Alltag der Studierenden“, so der Dozent.  

Jonathan Henses Hoffnung für die Studierenden der CampusAckerdemie ist es, dass sie später den Gemüseacker als Lernort an vielen weiteren Schulen etablieren und nutzen, am besten in ganz unterschiedlichen Fächern. Dafür findet er es sinnvoll, die CampusAckerdemie an der Universität weiterhin nur freiwillig anzubieten – „damit die Leute, die kommen, richtig Bock darauf haben.“ Dozierenden, die die CampusAckerdemie an ihre Hochschule bringen wollen, empfiehlt er: „Immer Wechselklamotten im Büro lagern, aus der Dozierenden-Rolle ausbrechen, um auf der Ebene der Studierenden zu agieren und die Expertise der AckerCoaches nutzen, um selbst noch etwas dazuzulernen. Und ganz wichtig: Kaninchendraht kaufen!“ 

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