Die GemüseAckerdemie ist ein Bildungsprogramm von Acker

Acker Porträt 22. Mai 2023

Experimen-Tier-Feld: Der Acker als MINT-Lernort

Die Kinder der 3. Volksschulklasse in Brunn am Gebirge beim Beobachten von Bodenlebewesen. Acker Österreich

Die Volksschule in Brunn am Gebirge ist der erste Lernort der GemüseAckerdemie im Bundesland Niederösterreich. Die Schüler*innen der 3. Klasse haben gemeinsam mit ihrer AckerLehrerin, Ingeborg Tontur, und den anderen Klassenlehrer*innen, im Frühjahr 2022 mit dem Bildungsprogramm gestartet. Mittlerweile ist der Acker aus dem Schulunterricht nicht mehr wegzudenken und ein wichtiger Bestandteil für innovative Lernmöglichkeiten im Rahmen der MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). Wir treffen Ingeborg am 3. Mai bei der zweiten Pflanzung der diesjährigen HauptAckerzeit und erfahren mehr darüber, wie der Schulgarten an der Volksschule das Bewusstsein für Natur und Lebensmittel fördert. 

Acker Österreich: Seit einem Jahr seid ihr nun tatkräftig am Garteln und habt dabei alle Phasen der GemüseAckerdemie einmal durchlaufen. Wie hat sich der Schulacker seither in den Unterricht integriert?

Ingeborg Tontur: Grundsätzlich ist der Acker für alle Klassen unserer Schule zugänglich und nutzbar. Also sowohl für die Jahrgänge, die gerade aktiv am Acker tätig sind, sowie für all jene, die noch nicht bei der GemüseAckerdemie dabei waren. Wir setzen das Bildungsprogramm jedes Jahr mit den 3. Klassen um. In der 1. und 2. Schulstufe herrscht meist schon große Vorfreude auf das Projekt und im September letzten Jahres haben wir sogar eine feierliche Übergabe des Ackers beim gemeinsamen Laubauftrag der Beete gemacht. Die älteren Kinder geben ihre Erfahrungen an die Jüngeren weiter und sind dabei die besten Ackerbotschafter. Aber nicht nur die 1. und 2. Klassen lernen so über den Schulgarten, sondern auch der ganze Ort in Brunn am Gebirge, weiß mittlerweile über das Projekt Bescheid.
Da sich unser Garten direkt am Schulgelände neben der Spielwiese befindet, ist er für die Kinder immer sichtbar und weckt Neugierde und Interesse. Diese Nähe ist toll, der Unterricht kann so auch mal schnell nach draußen verlegt werden und findet interdisziplinär Anwendung.

A:  Wie nutzt ihr den Acker fächerübergreifend und welche Rolle spielt er für die Bereiche Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik?  

I: Für einen vernetzten MINT-Unterricht spielt das Programm der GemüseAckerdemie natürlich eine wichtige Rolle. Allein dadurch, dass Kinder erleben, dass sie nicht nur etwas für den Schulgarten tun müssen, sondern auch etwas für ihre Arbeit zurückbekommen. Die Ernte ist das Highlight der Ackersaison und die Schüler*innen können es meist kaum erwarten, bis sie ihr selbstangebautes Gemüse endlich in den Händen halten. Diese Erfahrung ist sehr wertvoll und wird auch im Rahmen von MINT gefördert. Es geht darum, Kindern einen praxisnahen Lernort zu ermöglichen.
Dabei findet der Schulgarten Anwendung in den verschiedensten Bereichen des Unterrichts. Beispielsweise werden für das geerntete Gemüse passende Rezepte kreiert, deren Mengenangaben im Mathematikunterricht ausgewogen werden. Oder aber, wenn es darum geht im Sachunterricht herauszufinden, welche Tiere sich in unseren Ackerböden befinden und wie diese den Pflanzen nützlich sind. Vor allem in den Naturwissenschaften haben wir für MINT durch das Programm der GemüseAckerdemie einen großen Bereich abgedeckt.

A: Welche Wirkung konntest du im vergangenen Schuljahr bei den Kindern feststellen? Was hat sich verändert und wie wird der Acker heute wahrgenommen?

I: Wir haben schnell festgestellt, dass der Schulgarten ein langfristiges Projekt ist, das wahnsinnig viel Substanz hat. Manche Pädagog*innen standen dem Garten zu Beginn ja etwas skeptisch gegenüber und konnten sich nicht vorstellen, wie es ablaufen soll. Die Kinder habe jedoch große Überzeugungsarbeit geleistet.

I: Ich finde, er hat eine äußerst positive Wirkung auf die Schüler*innen. Regelmäßig bekomme ich dazu auch von den Eltern dementsprechende Rückmeldungen. So hat mir beispielsweise eine Mutter erzählt, dass ihr Kind nun auch zu Hause ein Gemüsebeet möchte, um Gurken und Zucchini pflanzen zu können. „Wir haben in der Schule gelernt, wie das am Acker geht und was die Pflanzen brauchen“, hören die Eltern da von ihren Kindern. Viele Mütter sind auch überrascht, dass der Salat zu Hause plötzlich schmeckt: „Wie habt ihr es geschafft, dass mein Kind Salat isst?“ Dabei kommt die Überzeugung für das Essen von Salat automatisch. Als Pädagog*in muss ich hier aktiv nicht viel leisten. Ich muss lediglich den Schüler*innen die Möglichkeit anbieten, sich mit bestimmten Themen auseinandersetzen zu können.

A: Was waren bisher eure wichtigsten Lernerfolge und größten Aha-Effekte im Schulgarten?

I: Mich persönlich hat es sehr überrascht, dass Kinder oftmals gar nicht wussten, was sich für Lebewesen in unseren Böden befinden. Als ich mit meiner Klasse zum ersten Mal am Acker umgegraben habe, wurde sofort damit begonnen, die gefunden Bodentiere zu beobachten. Bis heute ist jeder Regenwurm ein Spektakel. Die Kinder wollten aufgrund ihrer Erlebnisse mehr darüber herausfinden: Welche Tiere wohnen in unseren Böden? Wie heißen sie und was machen die da eigentlich? Im letzten Jahr ging es sogar so weit, dass die Kinder fast ein bisschen enttäuscht waren, dass wir keine Erdäpfelkäfer am Acker hatten. Sie wollten diese Tiere unbedingt direkt in der Natur beobachten. Ein anderer Aha-Effekt für die Kinder war es hier aber auch, die verschiedenen Erdschichten kennenzulernen: Wie sieht der Boden ab einer bestimmten Tiefe farblich denn aus?

A: Was wünschst du dir für die Zukunft eures Schulackers?

I: Bis zu meiner Pensionierung in zwei Jahren, möchte ich es schaffen, noch viele weitere Kolleg*innen für das Ackern zu begeistern. Das Programm der GemüseAckerdemie soll langfristig in den Schulalltag integriert werden. Wir sind die erste Schule in Niederösterreich, die daran teilnimmt, weshalb wir ja auch eine gewisse Vorbildwirkung haben. Unsere Direktorin, Margot Baier, steht mit voller Leidenschaft hinter dem Projekt. Es bedarf aber auch einem Engagement auf der Seite von uns Pädagog*innen. Nach meiner Pensionierung möchte ich deshalb weiterhin als Acker Buddy (Anm. d. Red.: Helfer*innen, die Schulen und Kindergärten bei den Pflanzungen sowie der Ackerpflege unterstützen) im Schulgarten mitwirken. Schlussendlich geht es um die Kinder und darum, dass wir ihnen auf vielfältige Weise Möglichkeiten bieten, um sich Wissen aneignen zu können. Ich wünsche allen Schulen in Österreich einen Acker für ihren Unterricht.