Die Ackerperle Orientierungsstufe der Diakonie Salzburg
Die Schüler*innen am Weg zum Schulacker auf dem Bauernhof der Familie Glück in Salzburg Orientierungsstufe Diakonie Salzburg
Die Schüler*innen der Orientierungsstufe der Diakonie Salzburg haben 2018 mit dem Ackern begonnen und sind einer der ersten Lernorte Österreichs. Der Unterricht findet hier jahrgangsübergreifend statt und wird handlungs- und projektorientiert gedacht. Die Arbeit am Acker ist für die Kinder und Jugendlichen mit besonderen Bedürfnissen zu einem wichtigen Teil des Schulalltags geworden. Umgraben, Mulchen oder Ernten gehören mittlerweile genauso zum Unterricht wie Deutsch oder Mathematik.
Da die Orientierungsstufe der Diakonie Salzburg das Programm GemüseAckerdemie besonders gut in ihren Schulbetrieb integriert, gehört sie zu unseren „Acker Perlen“. Für diese Rubrik haben wir im Rahmen unserer Wirkungsanalyse Schulleitungen, Lehrer*innen und Schüler*innen von AckerSchulen interviewt, die sich durch außerordentliche Schulkonzepte auszeichnen.
Der eigene Schulacker befindet sich am Bauernhof der Familie Glück in Salzburg. „Einmal in der Woche verbringen wir hier den ganzen Tag mit unseren Schüler*innen“, erklärt uns die Schulleiterin Ines Fischer. Die Bäuerin, Carmen, wird von den Kindern als „Königin“ des Bauernhofs gesehen. Neben der Ackerarbeit wird auch im Stall mitgeholfen. Ines betont die tolle Zusammenarbeit mit dem Bauernhof und wie gut die Kinder hier gemeinsam anpacken.
Die regelmäßige körperliche Bewegung durch die Ackerarbeit ist wichtig für die Schüler*innen. „Viele sind motorisch eingeschränkt, bei Tätigkeiten wie umgraben oder hacken können sie sich jedoch gut spüren“, erzählt Ines und ergänzt: „Nach der Ackerarbeit sind die Kinder körperlich ausgelastet und zufrieden.“ Die unterschiedlichen Bewegungen beim Gemüseanbau, werden oft auch zu kleinen Übungen weiterentwickelt. Im Turnunterricht wird gelernt, wie man sich hinsetzen muss, um die Pflanzen auf dem Acker nicht zu beschädigen oder wie es gelingen kann die eigene Balance zu finden, um entlang der schmalen Beetstege zu spazieren.
Neben den Kulturtechniken wie Lesen, Schreiben und Rechnen liegt der Fokus der Orientierungsstufe auf lebenspraktischen Fächern. So kommt hier auch in der Mathematikstunde das Gemüse zum Einsatz: es wird gewogen, vermessen und zusammengerechnet.
In diesem Jahr ist die Ernte im Schulgarten der Orientierungsstufe sehr üppig ausgefallen. Zucchini, Mangold, Kürbis oder Paradeiser wurden in der eigenen Schulküche zu „gschmackigen“ Gerichten verarbeitet. So manches Gemüse hat es aber gar nicht erst in die Küche geschafft, da die Schüler*innen es schon direkt vor Ort, am Feld, aufgegessen haben.
Bis zur Ernte wurden die Pflanzen von den Kindern sorgsam gehegt und gepflegt. Der gemeinsame Gemüseanbau hat auch eine soziale Funktion. Meike berichtet uns über ihre Beobachtungen zu gruppendynamischen Prozessen: „Die Schüler*innen haben einander gegenseitig darauf hingewiesen, wo man hintreten darf und wo nicht, um die Pflanzen nicht unabsichtlich niederzutrampeln. Die Ackerarbeit passiert mit viel Sorgfalt und die Kinder haben gelernt gemeinsam achtzugeben, auch wenn die Gummi-Stiefeln manchmal immer noch auf den Pflanzen abgestellt werden.“
In kurzen Erklärvideos kommen die Schüler*innen der Orientierungsstufe mittlerweile selbst zu Sprache und geben ihr Wissen weiter. Zum Beispiel an die Schüler*innen der Integrativen Montessori Mittelschule der Diakonie Salzburg, die in diesem Jahr bei der Ackerarbeit dabei waren. „Solche Kooperationen würden wir in Zukunft wieder anstreben wollen. Die Zusammenarbeit hat uns viel Spaß gemacht und es war toll, dass unsere Schüler*innen zu Expert*innen wurden, die etwas weitergeben können“, so die Schulleiterin. „Das Prinzip des voneinander Lernens steckt auch in unseren Ansätzen als Pädagoginnen und Pädagogen, die sich an bestimmten Denkweisen von Maria Montessori orientieren“, ergänzt Ines. In vorbereiteter Lernumgebung sollen die Kinder eigene Aufgabenbereiche übernehmen und durch ihre praktischen Erfahrungen lernen. Meike erzählt, dass die Schüler*innen am Acker sehr selbständig geworden sind und, dass sie seit der ersten Ackersaison im Jahr 2018 große Fortschritte gemacht haben. Sie findet, dass die Kinder viel mehr Gemüsesorten kennen und diese auch bezeichnen können.
Das große Interesse am Ausprobieren und die enorme Wissensbegierde der Kinder fällt auch dem Ackercoach, der die Orientierungsstufe unterstützt, positiv auf. „Sigi“, wie er von Kindern und Erwachsenen genannt werden darf, vermittelt mit Leidenschaft und Engagement sein Wissen zum Gemüseanbau. Es geht ihm vor allem um die Möglichkeit Kinder für unsere Umwelt zu sensibilisieren und zu versuchen ihnen mehr Wertschätzung für alles Lebendige mitzugeben.
„Generell sind alle sehr stolz auf den Acker. Aber besonders die Ernte bereitet eine riesige Freude! Denn die Kinder schreien nicht jedes Mal: Juhu, heute ist Ackertag! Wenn sie jedoch sehen, was sie aus ihrer eigenen Arbeit rausbekommen, dann sind sie wahnsinnig begeistert“, erklärt uns Ines. In diesem Jahr wurde aus den geernteten Kürbissen Marmelade gemacht. Meike betont, wie toll es für die Kinder ist zu erleben, was hinter einem Produkt steckt. Dadurch hat sich auch der Wert gegenüber dem Gemüse verändert. Und das nicht nur bei den Kindern, sondern auch bei den Eltern und bei uns Pädagoginnen und Pädagogen.
Manche Produkte werden von den Schüler*innen beim schulinternen Erntedankfest oder am Weihnachtsmarkt verkauft. Dabei soll der ganze Warenkreislauf miterlebt werden. Auch die Rolle im Verkauf wird von den Kindern erprobt. „Das Erntedankfest und der Weihnachtsmarkt sind immer etwas ganz Besonderes. Die Kinder haben die Möglichkeit zu zeigen, was aus ihrer Arbeit am Acker konkret geworden ist. Das stärkt ihr Selbstwertgefühl enorm“, erzählt Meike. Über das eingenommene Geld durch den Verkauf der Produkte konnte die Klasse sogar schon mal einen gemeinsamen Kurzurlaub unternehmen.