AckerRacker ist ein Bildungsprogramm von Acker

Acker Porträt 01. August 2022

AckerPerle Vinzenz-Stroh Kita Maitis

Vinzenz-Stroh Kita Maitis Kita AckerPerle Teil 5 Vinzenz-Stroh Kita Maitis

Der Kindergarten Vinzenz-Stroh im baden-württembergischen Maitis kann sich über sensationelle Unterstützung freuen: Die 800-Einwohner*innen starke Dorfgemeinschaft hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, um den KitaAcker anzulegen und mit Gerätschaften zu versorgen. Inzwischen wachsen dort reichlich Zucchini, Kürbisse und sogar knallbunte Kartoffeln! Neben Gemüse-Verkaufsstand und Rohkostbüffet bleibt für Kitaleiterin Elke Musewald und AckerErzieherin Daniela Kümmerle nur eine Frage offen: Was tun mit dem Palmkohl?

Weil die Vinzenz-Stroh Kita den Acker ganz besonders gut in ihren Kita-Alltag integriert hat, gehört sie zu unseren „AckerPerlen“. Für diese Rubrik haben wir im Rahmen unserer Wirkungsanalyse Kitaleitungen und Erzieher*innen von AckerKitas interviewt, die sich durch besondere Bildungskonzepte auszeichnen.

Autorin: Lena Hetzer / Acker e. V.
Bilder: Vinzenz-Stroh Kita Maitis

Steckbrief

Ort: Maitis

Bundesland: Baden-Württemberg

Anzahl Kita-Kinder: 32

Anzahl AckerKinder: 14

Anzahl Erzieher*innen/Mitarbeiter*innen: 8

Anzahl AckerErzieher*innen: 2

AckerKita seit: 2021

Größe des Ackers: 55 m2

Knapp 800 Einwohner*innen zählt das Dorf Maitis im baden-württembergischen Landkreis Göppingen, östlich von Stuttgart. Hier befindet sich der Kindergarten Vinzenz-Stroh, der seit 20 Jahren von Elke Musewald geleitet wird. „Wir haben hier eine Dorfgemeinschaft, die schon ein bisschen sensationell ist“, findet sie. Das sei besonders spürbar gewesen als die Idee im Raum stand, das Programm AckerRacker an den Kindergarten zu holen. Kurzerhand hätten zwei Väter ehemaliger Kindergartenkinder die Ackerfläche angelegt. Und auch die meisten Ackergeräte seien nach einem Aufruf im dorfinternen Mitteilungsblatt von Dorfbewohner*innen gespendet worden. Selbst ein 1000-Liter-Fass habe seinen Weg zum Acker gefunden. Obwohl sie inzwischen wisse, dass der Acker gar nicht so viel gegossen werden muss, sei es toll gewesen, die Unterstützung der Dorfgemeinschaft im Rücken zu wissen, berichtet die Kindergartenleiterin. (1)

Um das Geschehen auf dem Acker kümmert sich Elke Musewald gemeinsam mit der Erzieherin Daniela Kümmerle und den Vier- bis Sechsjährigen. Ab und zu dürfen auch mal die kleineren Kinder mit auf den Acker. „Wir sind voll motiviert“, versichert Daniela Kümmerle mit einem Lächeln im Gesicht. Geackert werde einmal pro Woche zu einer festen Zeit. Dass sich die Ackerfläche direkt auf dem Gelände des Kindergartens befinde, sei laut den AckerErzieherinnen ein großer Vorteil. So hätten die Kinder die Möglichkeit, ihrem Acker auch mal zwischendurch und ohne Aufsicht einen Besuch abzustatten.

Lernen mit allen Sinnen

„Die Kinder erfahren mit allen Sinnen, wie Gemüse wächst und schmeckt und wie es riecht und duftet“, beschreibt Elke Musewald die Erlebnisse auf dem Acker. Auch das Anfassen und Fühlen kommt nicht zu kurz: Regenwürmer würden von den Kindern vorsichtig von der Wiese auf den Acker gesetzt, erzählt AckerErzieherin Daniela Kümmerle. „Die Kinder wissen inzwischen, dass die Würmer den Ackerboden locker machen.“ Auch die Berührungsängste vor Nacktschnecken seien im Laufe der AckerZeit deutlich geringer geworden. „Die Kinder bekommen ein anderes Verständnis für Nahrung und Natur“, resümiert Elke Musewald. „Da sind so viele Sachen, die die Kinder auf dem Acker erleben können, die echt wichtig sind.“

Gemeinsam ackern stärkt das Verantwortungsbewusstsein

Auch wenn viele der Kinder aus dem Dorf einen eigenen Garten zu Hause haben, ist der Acker in der Kita doch etwas ganz Besonderes. „Es ist unser Acker – wir gucken danach, wir ernten, wir pflegen und wir nehmen Rücksicht“, erklärt Elke Musewald. Noch vor einigen Monaten habe sie nicht daran geglaubt, dass die Kinder achtsam mit dem Acker umgehen würden, wenn man sie damit allein lässt. Mit der Zeit habe sie jedoch festgestellt, dass man gar nicht so viel steuern müsse und sich die Kinder teilweise sogar selbst organisieren könnten. Die Kindergartenleiterin wünscht sich, dass die Kinder beim Ackern lernen, Verantwortung für ihr Handeln zu übernehmen: „Auf dem Acker merken sie sehr schnell, dass man Rücksicht nehmen muss, damit nichts kaputt geht“, erklärt sie. Auch AckerErzieherin Daniela Kümmerle stellt fest, wie gut den Kleinen das Ackern tut: Das Miteinander unter den Kindern habe sich durch die gemeinsamen Aktivitäten deutlich verbessert.

Eine große Ernte

Mit Freude erinnert sich Elke Musewald an die erste Kartoffelernte: Über Tage hinweg seien die Kinder immer wieder gemeinsam auf den Acker gegangen und hätten nach den bunten Knollen gesucht – neben gelben Kartoffeln wachsen auf dem Acker des Kindergarten Vinzenz-Stroh nämlich auch lila und rote Kartoffeln. Und dass man die farbenfrohen Schätze sogar essen kann, sei für so einige Kinder ein richtiges Aha-Erlebnis gewesen, erzählt die Kindergartenleiterin.

AckerErzieherin Daniela Kümmerle ist noch heute ganz begeistert davon, wie viel auf dem Acker insgesamt gewachsen ist. „Jeder hat sich mitgefreut: die Kinder, die Eltern und unser Dorf“, erzählt sie. Nach der Ernte wurde das Gemüse auf einem Tisch vor dem Gebäude des Kindergartens präsentiert und Eltern und Nachbarn auf Spendenbasis zum Verkauf angeboten. Riesige Zucchini seien unter den Prachtstücken vom Acker gewesen und „Riesenkürbisse, die die Kinder kaum zu zweit tragen konnten“, berichtet die Erzieherin. Einigen Gemüsearten sei allerdings erst einmal mit Skepsis begegnet worden, erzählt Kindergartenleiterin Musewald: „Manche Eltern wussten nichts mit der rohen roten Bete anzufangen.“ Sie sei froh, dass die Kinder es besser gewusst und ihren Eltern Vorschläge zur Verarbeitung geliefert hätten. Denn die Kinder des Vinzenz-Stroh-Kindergartens haben schon so einiges an Erfahrung mit rohem Gemüse gesammelt und sind kleine Expert*innen auf diesem Gebiet: Jede Woche gibt es einen „Rohkostbüffet-Tag“, an dem die Kinder gemeinsam rohes Gemüse und Obst aufschneiden und verkosten.

Gemüsewissen weitertragen

Dass der Acker für alle ein großes Lernfeld ist, stellen Daniela Kümmerle und Elke Musewald beide fest. Nicht nur die Kinder würden hier viel lernen, auch sie als AckerErzieherinnen nähmen jede Menge neues Wissen mit. So habe Daniela Kümmerle das Mulchen und das Konzept der Fruchtfolgen inzwischen auch für den eigenen Garten übernommen. Noch heute rätselt die AckerErzieherin jedoch, wie man Palmkohl am besten verarbeiten kann – den hohen Kohl mit den krausen Blättern hat auch sie auf dem Acker neu kennengelernt.

Mit den Kindern eigenes Gemüse anzubauen, liegt Daniela Kümmerle sehr am Herzen. „Durch das Ackern bekommen die Kinder einen direkten Bezug zu den Zyklen der Natur und wissen, dass es im Winter Kohl und im Sommer Tomaten gibt“, macht sie deutlich. Der Gemüseanbau sei ein wichtiges Gut, das von Generation zu Generation weitergetragen werden solle: „Ich hoffe, dass die Kinder, wenn sie erwachsen sind, ihr Wissen zum Gemüseanbau weiterleben und weitergeben.“

(1) Im Rahmen des Bildungsprogramms AckerRacker wird großen Wert auf das Hacken gelegt, da es viel Wasser einsparen kann. Hacken lockert zum einen den Boden auf, sodass er besser Regen- und Gießwasser aufnehmen kann und verhindert zum anderen, dass die Feuchtigkeit aus der Tiefe nach oben dringt und dort verdunstet.

Komm mit auf den Acker!

Auf dem eigenen Acker erleben Kinder spielerisch und mit allen Sinnen, woher das Essen auf unseren Tellern kommt – und wie lecker frisches Gemüse schmeckt. AckerRacker unterstützt teilnehmende Pädagog*innen mit kindgerechten Begleitmaterialien, Fortbildungen und persönlicher Beratung.