AckerRacker ist ein Bildungsprogramm von Acker

Acker Porträt 01. Juli 2022

AckerPerle Vierländer Naturkita

AckerPerle Vierländer Naturkita Vierländer Naturkita

Seit dem Frühjahr 2020 gibt es an der Vierländer Naturkita in Hamburg einen Acker: Auf mittlerweile sieben Beeten bauen die neun AckerErzieher*innen und sogar alle Kinder von 0 bis 6 Jahren reichlich Gemüse an. Im hauseigenen „Kinderrestaurant“ wird die Ernte dann vom Kita-Koch im Mittagessen verarbeitet – insbesondere Zucchini wachsen auf dem Acker „wie Sand am Meer“, berichtet die pädagogische Leiterin Kerstin Nauhardt. Besonders clever: der ausgeklügelte und rollierende Rhythmus, nach dem sich die Gruppen auf dem Acker abwechseln.

Weil die Vierländer Naturkita in Hamburg den Acker ganz besonders gut in ihren Kita-Alltag integriert hat, gehört sie zu unseren „AckerPerlen“. Für diese Rubrik haben wir im Rahmen unserer Wirkungsanalyse Kitaleitungen und Erzieher*innen von AckerKitas interviewt, die sich durch besondere Bildungskonzepte auszeichnen.

Autorin: Lena Hetzer / Acker e. V.
Bilder: Vierländer Naturkita

Steckbrief

Ort: Hamburg

Bundesland: Hamburg

Anzahl Kita-Kinder: 120

Anzahl AckerKinder: 80

Anzahl Erzieher*innen/Mitarbeiter*innen: 9

Anzahl AckerErzieher*innen: 9

AckerKita seit: 2020

Größe des Ackers: circa 60 m2

„GUCK MAL!“, staunt ein Kind an der Vierländer Naturkita in Hamburg und zeigt stolz seine frisch geernteten Tomaten. Dann geht es direkt ins Kinderrestaurant. Dort übergibt das Kind die Ausbeute vom Acker an den Koch: „Das haben wir geerntet! Guck mal, wie viel das ist!“

Gesunde und nachhaltige Ernährung wird in der Vierländer Naturkita großgeschrieben. Jeden Tag bereitet Kita-Koch Sven Lübke im Kinderrestaurant das Mittagessen aus frischen Lebensmitteln zu. Anders als in vielen anderen Kitas, in denen das Mittagessen häufig von externen Cateringfirmen geliefert werde, “werden hier sogar noch die Kartoffeln mit Hand geschält“, betont Kerstin Nauhardt, die pädagogische Leiterin der Kita. Wenn alles zubereitet ist, zeigt Sven Lübke den Kindern den Vergleich zwischen der Ernte und dem fertigen Gericht. So können sie begreifen, wie aus dem Gemüse vom Acker das fertige Essen auf dem Teller wird – eine Qualität, die laut Kerstin Nauhardt auch die Eltern sehr zu schätzen wissen.

Gemüse vom Acker wird lieber probiert

Auch wenn der Acker groß ist und die Ernte entsprechend üppig ausfällt, reicht der Acker nicht ganz zur Selbstversorgung aus. Außer vielleicht bei den Zucchini: „Die wachsen hier wie Sand am Meer“, lacht die pädagogische Kitaleiterin. Franziska Timmann, eine von neun AckerErzieher*innen, erinnert sich an die erste AckerSaison: „Wir hatten Riesenzucchini. Teilweise haben die Kinder die zu zweit getragen!“, erzählt sie. So ist es nicht verwunderlich, dass „Zucchini vom eigenen Acker“ im Kinderrestaurant des Öfteren auf der Speisekarte stehen. Insgesamt sei das Angebot jedoch sehr abwechslungsreich, betont Leiterin Kerstin Nauhardt. Der Koch sei stets bestrebt, den Kindern eine vielfältige Ernährung zu bieten und gleichzeitig nach ihren Geschmacksvorlieben zu kochen. Zusätzlich werde stark auf Saisonalität und Regionalität geachtet.

Welche Lebensmittel vom Acker kommen und welche von extern bezogen werden, wird an der Naturkita immer klar kommuniziert. „Die Kinder probieren viel mehr Gemüse, wenn sie wissen, dass es vom Acker kommt“, berichtet Sarah de Oliveira, die ebenfalls als AckerErzieherin mit den Kindern auf dem KitaAcker steht. Das gelte vor allem für Gemüse, das die Kinder noch nicht kennen oder nur selten essen, wie beispielsweise Mangold.

Selbst die Kleinen ackern mit

Seit dem Start von AckerRacker im Frühjahr 2020 ist der Acker längst fester Bestandteil der Vierländer Naturkita geworden und jedes Kind hilft regelmäßig mit. Insgesamt gäbe es fünf Kindergruppen an der Hamburger Kita, erklärt AckerErzieherin Franziska Timmann. Jeden Tag gehe eine andere Gruppe auf den Acker. Alle drei Monate werde der Rhythmus um einen Tag nach hinten verschoben. Dann werde zum Beispiel die Montagsgruppe zur Dienstagsgruppe und die Dienstagsgruppe zur Mittwochsgruppe. „Sonst würde die Montagsgruppe fleißig ernten und die Freitagsgruppe immer leer ausgehen“, so die Erzieherin. „Das war aber auch ein Prozess, bis wir das gefunden haben.“

Im Vergleich zur ersten AckerSaison ackern inzwischen auch die null- bis dreijährigen Krippenkinder mit. „Die Kleineren sind dabei und erleben das Ganze einfach mit. Es macht nichts, wenn sie eine grüne Tomate abrupfen. Das dürfen sie“, berichtet Leiterin Kerstin Nauhardt. Sie weiß: Auf dem Acker geht es ums Erleben. „Auf dem Acker erfahren die Kinder unmittelbar, wie lange es dauert, bis die Tomate eben wirklich reif ist. Sie üben sich in Geduld und Ausdauer und lernen, dass sie beim Ackern am Ball bleiben müssen, damit etwas wächst.“

Von Nacktschnecken und Regenwürmern

Die Vierländer Naturkita startete 2020 mit einer Ackerfläche, die deutlich größer war als der Acker anderer AckerKitas. Stolze 15 Reihen an Gemüse wurden damals bewirtschaftet. Dementsprechend groß fiel die erste Ernte aus: „Wir konnten so viel ernten, dass wir teilweise gar nicht mehr wussten, wohin damit“ erinnert sich AckerErzieherin Franziska Timmann. „Das war ein tolles Gefühl!“ Gleichzeitig sei mit der Größe des Ackers aber auch ein hohes Maß an Arbeit einhergegangen. Insbesondere der Schachtelhalm, ein Beikraut, habe die Kinder und Erzieher*innen auf Trab gehalten, wie Sarah de Oliveira erzählt. „Der war überall! Und er war riesengroß!“ berichtet die Erzieherin. Trotz unzähliger Unkrautwettbewerbe mit den Kindern hätten sie die dem Kraut keinen Einhalt gebieten können. Schließlich habe das ganze Kollegium beschossen, den Acker von 15 Reihen auf 7 Reihen zu verkleinern. Kitaleiterin Kerstin Nauhardt schätzt diesen Lernprozess, bei dem es immer wieder darum gehe, Probleme zu erkennen und neue Lösungen zu finden: „Das ist doch super, wenn man merkt, das können wir so nicht bewältigen – aber anders.“

Kerstin Nauhardt und die AckerErzieher*innen haben trotz der vielen Arbeit große Freude am Acker. Erzieherin Sarah de Oliveira schätzt insbesondere die Vielfältigkeit der AckerTätigkeiten: das Ernten, das Umgraben oder auch die Suche nach „verschiedenen Insekten, die da so rumkrabbeln.“ Besonders die Insekten und anderen Ackertierchen fänden auch die Kinder unglaublich spannend. “Ein Mädchen hat sich neulich die ganze Hand mit Nacktschnecken beklebt und stolz gerufen: Guck mal, wie viele ich gefunden habe!“, schüttelt die AckerErzieherin lachend den Kopf. “Und die Regenwürmer haben sich die Kinder als Ringe um die Finger gebunden. Auf dem Acker gibt es einfach jeden Tag etwas Neues zu entdecken.”

Jede Kita kann ackern

Dass an der Vierländer Naturkita alle der neun Erzieher*innen mitackern, ist etwas sehr Besonderes. „Ich empfinde es als große Stärke in unserem Haus, dass alle sehr offen für alles sind“, betont Kerstin Nauhardt. „Im Kollegium herrscht eine Bereitschaft, sich auf Unbekanntes einzulassen und sein Bestes beizusteuern.“ Durch das gemeinsame Ackern sei das Kollegium noch stärker zusammengewachsen. Auch für die Unterstützung von Acker e. V. ist die pädagogische Kitaleiterin dankbar: „Wenn ich mir vorstelle, dass wir das alles hätten allein vorbereiten müssen, dann wäre das nichts geworden.“ Obwohl die Zeit im Kita-Alltag oft knapp sei und es viele andere Aufgaben zu bewältigen gäbe, sei das Ackern mit den ausführlichen Anleitungen und Begleitmaterialien von AckerRacker für alle Kitas „machbar und schaffbar“, findet sie. Und auch AckerErzieherin Sarah de Oliveira ist sich sicher: „Wenn das Interesse da ist und die Leute Lust auf den Acker haben, würden wir AckerRacker auf jeden Fall weiterempfehlen!“