AckerRacker ist ein Bildungsprogramm von Acker

Acker Porträt 01. September 2022

AckerPerle Städtische Kita Krefeld

AckerPerle Städtische Kita Krefeld Städtische Kita Krefeld

Der Boden der Städtischen Kita Krefeld wollte am Anfang so gar nicht mitspielen: Steine, Altlasten, Wurzeln und sogar die Hülle einer Kriegsbombe erschwerten die Ackereinrichtung! Inzwischen ist dort aber eine wahre Acker-Oase entstanden, die vor buntem Gemüse nur so strotzt. Und nicht nur die Gemüsepflanzen, auch jedes kleine Krabbeltierchen wird eingehend untersucht – denn in der Kita Krefeld steht das selbstentdeckende Lernen im Vordergrund. Außerhalb des Acker können die Kinder in verschiedenen Funktionsräumen kreativ werden und experimentieren – natürlich auch mit Möhre, Bete und Co.! Die stellvertretende Kita-Leitung Silke Wilms und die AckerErzieherin Andrea Müller sind sich sicher: Der Acker ist gekommen, um zu bleiben.

Weil die Städtische Kita Krefeld den Acker ganz besonders gut in ihren Kita-Alltag integriert hat, gehört sie zu unseren „AckerPerlen“. Für diese Rubrik haben wir im Rahmen unserer Wirkungsanalyse Kitaleitungen und Erzieher*innen von AckerKitas interviewt, die sich durch besondere Bildungskonzepte auszeichnen.

Autorin: Lena Hetzer / Acker e. V.
Bilder: Städtische Kita Krefeld

Steckbrief

Ort: Krefeld

Bundesland: Nordrhein-Westfalen

Anzahl Kita-Kinder: 145

Anzahl AckerKinder: 145 insgesamt, wovon 15 regelmäßig ackern

Anzahl Erzieher*innen/Mitarbeiter*innen: 23

Anzahl AckerErzieher*innen: 2

AckerKita seit: 2019

Größe des Ackers: 55 m2

„Sie kommen, sie kommen, sie kommen!“, ruft ein Junge ganz aufgeregt vor dem Eingang der Städtischen Kindertageseinrichtung Am Kinderhort in Krefeld, als die AckerCoaches mit den Jungpflanzen eintrudeln. Schon seit Tagen kann er den ersten Pflanztermin kaum erwarten. Mit Feuer und Flamme unterstützt er beim Pflanzen – und merkt dabei auch, dass Ackern ganz schön anstrengend sein kann.

Seit 2019 bereichert der Acker den Alltag der Städtischen Kindertageseinrichtung, die 145 Kita-Plätze zur Verfügung stellt und Teil eines Familienzentrums ist. Die stellvertretende Kitaleiterin und AckerErzieherin Silke Wilms erklärt, warum der Acker so gut zum Konzept der Einrichtung passt: „Wir stellen das selbstentdeckende Lernen in den Vordergrund.“ Und zu entdecken gibt es auf dem Acker so einiges! Da könne es schon einmal vorkommen, dass die Kinder beim Harken auf einen Käfer stoßen und sich dann erst mal eine Viertelstunde mit dem kleinen Bodenbewohner beschäftigen, erzählt Andrea Müller, die zweite AckerErzieherin. „Und beim Graben wird jeder Wurm mit einem ‚Hallo!‘ begrüßt.“ Die Tier- und Pflanzenwelt zu beobachten und zu erleben, sei für Kinder „eine essenzielle Erfahrung“, findet die Erzieherin. Die Begeisterung für Natur stecke bereits in ihnen – unsere Aufgabe als Erwachsene sei es, diese Begeisterung zu nähren und den Kindern entsprechende Erfahrungsräume zur Verfügung zu stellen.

Den Acker unter die Lupe nehmen

Silke Wilms erinnert sich an die Anfänge des KitaAckers Am Kinderhort: „Wir hatten im ersten Jahr unglaublich viel zu tun. Unser Boden war voller Steine, Altlasten und Wurzeln einer umgefallenen Kastanie.“ Sogar die leere Hülle einer Kriegsbombe sei in der Erde zum Vorschein gekommen und habe für einen aufregenden Tag mit Feuerwehreinsatz und Räumungsdienst gesorgt. Danach habe sich die Fläche innerhalb weniger Wochen in ein wunderschönes Stück Acker verwandelt. Seither steht der Gemüseacker allen Kita-Kindern zur Verfügung: „Wenn wir auf den Acker gehen, schauen wir, welche Kinder Lust haben“, erklärt die stellvertretende Kitaleiterin. Je nachdem, wie viel zu tun sei, kämen mal mehr und mal weniger Kinder mit. Unterstützt werden Silke Wilms und Andrea Müller auf dem Acker von zwei AckerBuddies (1) aus dem Kollegium.

Bevor Corona den Kita-Alltag durcheinanderwirbelte, organisierte sich die Städtische Kindertageseinrichtung in Krefeld nach einem offenen Konzept mit sogenannten Funktionsräumen. Die Idee: In verschiedenen Räumen werden unterschiedliche Lern- und Spielaktivitäten angeboten – welche Angebote die Kinder wahrnehmen möchten, können sie selbst entscheiden. So habe es beispielsweise einen „AckerRaum“ gegeben, der mit Fundstücken und Fotos vom Acker geschmückt gewesen sei, erzählt Andrea Müller. „Und den ‘Kreativraum‘, in dem die Kinder 199 Möhren gemalt haben“, lacht sie. Im „Forscherraum“ habe eine Kollegin mit den Kindern außerdem kleine Experimente zum Acker durchgeführt. So hätten die Kinder dort Bodenproben untersucht, das Wachstum von Kartoffeln in Gläsern beobachtet oder mit Mikroskopen und Lupen einen ganz genauen Blick auf die Schätze vom Acker geworfen. „Die Hoffnung ist groß, dass wir eines Tages wieder zu dieser offenen Art des Lernens zurückkehren können“, so die AckerErzieherin. Bis dahin verbringen die AckerErzieher*innen so viel Zeit wie möglich auf ihrem Acker an der frischen Luft.

Und wie schmeckt’s?

Das Gemüse vom Acker wird fast komplett in der Kita-Küche verwertet. Silke Wilms liegt es sehr am Herzen, dass die Kinder sich in der Kita gesund ernähren und sich bewusst mit dem Thema Ernährung auseinandersetzen. „Das hat bei den Kindern so einen Boomerang-Effekt. Die Kinder transportieren das mit nach Hause“, berichtet die stellvertretende Kitaleiterin. Selbst die ganz Kleinen werden hier vom Acker und der gemüsigen Umgebung geprägt. So berichtet Frau Müller von einem Zweijährigen, der, mit einer frisch geernteten Möhre in der Hand, plötzlich seinen ersten vollständigen Satz von sich gegeben habe: „Magst du auch Gemüse?“

Ein besonderes Highlight für die AckerKinder: Die Ernte der Roten Bete. „Die Kinder sind mit Tellern voller Roter Bete durch die Kita gelaufen und alle durften sie probieren“, erzählt Silke Wilms. Als das erste Kind seine rote Zunge präsentiert habe, seien viele andere Kinder nachgezogen – sogar diejenigen, von denen man es nicht erwartet habe: „Wir haben einen Jungen, der rührt nichts an. Er isst Nudeln pur und wenn Soße dran ist, will er es nicht mehr essen. Ich war so stolz, dass er sich das getraut hat!“ Auch so manche Eltern seien überrascht, wenn sie hörten, welches Gemüse ihre Kinder inzwischen kennen und essen.

Mit Neugier dazulernen

Aber nicht nur für die Kinder bietet der Acker so einige Aha-Momente. AckerErzieherin Andrea Müller ist mit einem Schrebergarten aufgewachsen und kannte sich daher bereits bestens mit dem Thema Gemüseanbau aus, als in der Kita Am Kinderhort der eigene Acker entstand. Trotzdem hat sie im Bildungsprogramm von Acker e. V. auch neues dazugelernt.

Zum Beispiel, dass sie auf dem Gemüseacker hacken sollte, anstatt zu gießen, sah die erfahrene Gärtnerin anfangs sehr skeptisch. Nun weiß sie: Hacken lockert den Boden auf, sodass er besser Regen- und Gießwasser aufnehmen kann und verhindert auch, dass die Feuchtigkeit aus der Tiefe nach oben dringt und dort verdunstet. Dadurch kann viel Wasser eingespart werden. Für die reichliche Ernte in der letzten AckerSaison hätten sie und die AckerKinder insgesamt nur drei Mal gießen müssen, erzählt Andrea Müller begeistert. „Es ist so spannend, dass ich meine Erfahrung habe, aber auch sehe, wie es anders funktionieren kann. Man muss neugierig bleiben, wie die Kinder.“ Nun versuche sie, auch die anderen Gärtner*innen in der Schrebergartenkolonie für das Hacken zu begeistern – auch wenn das manchmal gar nicht so leicht sei.

Der Acker bleibt

Andrea Müller ist beeindruckt, welche Wirkung der Acker, der vor drei Jahren noch eine öde Graslandschaft war, bereits entfaltet hat.  „Man muss bei AckerRacker kein Vorwissen haben. Durch die ganzen Fortbildungen und Inhalte, die man sich auf der Webseite angucken kann, gibt es zu jeder Frage eine Antwort. Du kannst da unverblümt starten. Was jedoch ganz, ganz wichtig ist, ist die eigene Begeisterung.“ Und die kann man Andrea Müller und der stellvertretenden Kitaleiterin Silke Wilms direkt aus den Augen ablesen, wenn sie davon erzählen, was sie auf ihrem Acker bereits erlebt haben. Wenn es nach den beiden geht, dann ist der Acker gekommen, um zu bleiben. Andrea Müller ist sich sicher: „Der Acker ist meiner, bis ich in Rente gehe. 17 Jahre – so lange bleibt der auf jeden Fall!“

(1) Ein AckerBuddy ist eine Person, die bei den Pflanzungen des Lernorts mit unterstützt. Hauptsächlich wird diese Rolle von Mitarbeitenden der Kita übernommen, bspw. von Kolleg*innen, Hausmeister*innen oder Köch*innen.

Komm mit auf den Acker!

Auf dem eigenen Acker erleben Kinder spielerisch und mit allen Sinnen, woher das Essen auf unseren Tellern kommt – und wie lecker frisches Gemüse schmeckt. AckerRacker unterstützt teilnehmende Pädagog*innen mit kindgerechten Begleitmaterialien, Fortbildungen und persönlicher Beratung.