AckerRacker ist ein Bildungsprogramm von Acker

Acker Porträt 01. Juni 2022

AckerPerle BurgKita in Halle

Die Kids der BurgKita Halle haben etwas gefunden - vielleicht einen Regenwurm? BurgKita Halle

Zuerst hatte die BurgKita in Halle richtig schwere Arbeit zu leisten: Steine und Geröll im Boden machten das Umgraben der Ackerfläche zu harter Knochenarbeit! Doch kaum waren diese Hindernisse – im wahrsten Sinne des Wortes – aus dem Weg geräumt, kam das Projekt so richtig in Fahrt: 37 hochmotivierte Kinder, AckerErzieher Julian Kind und die AckerCoaches führten die erste Pflanzung durch, die staunende und strahlende Gesichter hinterließ. Lest hier, was sonst noch geschah und wer eigentlich Zwolo Zwiebel ist!

Weil die BurgKita in Halle den Acker ganz besonders gut in ihren Kita-Alltag integriert hat, gehört sie zu unseren „AckerPerlen“. Für diese Rubrik haben wir im Rahmen unserer Wirkungsanalyse Kitaleitungen und Erzieher*innen von AckerKitas interviewt, die sich durch besondere Bildungskonzepte auszeichnen.

Autorin: Lena Hetzer / Acker e. V.
Bilder: BurgKita Halle

Steckbrief

Ort: Halle

Bundesland: Sachsen-Anhalt

Anzahl Kita-Kinder: 55

Anzahl AckerKinder: 37

Anzahl Erzieher*innen/Mitarbeiter*innen: 9

Anzahl AckerErzieher*innen: 4

AckerKita seit: 2021

Größe des Ackers: 35m2

Was auf dem 35 m2 großen Acker der BurgKita alles wächst und gedeiht, sei „wie ein kleines Wunder“, erzählt Julian Kind. Er ist einer der vier AckerErzieher*innen an der Kita in Halle. Der Boden sei voller „riesiger Steinbrocken, Glasscherben und Müll“ gewesen – noch nicht einmal das Gras habe hier so richtig wachsen wollen, erinnert er sich und lacht. Die Idee, an der Kita einen Acker anzulegen, hat ihn damals trotzdem nicht mehr losgelassen. Er wollte es einfach ausprobieren.

Schon bald hatte er eine Finanzierungsmöglichkeit durch „Stiftung Bildung“ in der Tasche und konnte dadurch die finanzielle Hürde meistern. Auch Zweifel aus dem Kollegium bezüglich zeitlicher Kapazitäten waren schnell aus dem Weg geräumt. „Julian war so motiviert und euphorisch, dass er uns alle tatsächlich mitgerissen und überzeugt hat“, erinnert sich Ramona Müller, die Kitaleiterin. Im Frühjahr 2021 stand schließlich das ganze Kollegium gemeinsam mit Schaufel und Spaten zum ersten Mal auf dem Acker. Das Umgraben stand auf dem Tagesplan. „Das war gut, weil danach alle einen Bezug zum Acker hatten“, erzählt Frau Müller. Der Funke von Julian Kind war auf seine Kolleg*innen übergesprungen.

Gemeinsam auch bei Regen auf dem Acker

Bei der ersten Pflanzung durften alle 37 AckerKinder dabei sein. Kitaleiterin Ramona Müller staunt noch heute, welche Ehrfurcht die Kinder hatten, als sie die Jungpflanzen in die Hände bekamen. Ganz behutsam seien sie mit ihren Pflanzen umgegangen, „selbst die Jungs, die manchmal richtig wild sind“, erzählt sie. Und dann wurde jede einzelne Kultur unter Anleitung der AckerCoaches in den Boden gebracht. Zusammen mit den Kindern rätselte Frau Müller über die unterschiedlichen Bedürfnisse der verschiedenen Gemüsearten: Warum müssen manche Pflanzen mit mehr, manche mit weniger Abstand zueinander wachsen? Welche Gemüsearten werden mit einer Mulchschicht, welche ohne eingepflanzt? Die Kitaleiterin habe sehr gut nachvollziehen können, „warum die Kinder so durcheinander waren“, erzählt sie heute. Auch sie habe bei der Pflanzung zum ersten Mal richtig begreifen können, dass „wirklich jede Pflanze ihren eigenen Charakter und ihre eigenen Bedingungen hat.“

Auch AckerErzieher Julian Kind freut sich darüber, dass bei der Pflanzung „alle an einem Strang gezogen haben“ – trotz strömenden Regens. „Das hat nochmal ausgedrückt, dass Gärtnern nicht nur ein Schönwetterding ist, sondern dass es Arbeit macht, wir auch mal nasse Füße kriegen und unsere Hände schlammig werden.“

Selbstbestimmtes Lernen in der BurgKita

Die Arbeitseinsätze auf dem Acker an der BurgKita in Halle werden ganz flexibel organisiert – entsprechend dem Leitbild der Kita. Hier können die Kinder selbst entscheiden, an welchen Lernangeboten sie teilnehmen möchten. Die Grundidee: Die Kinder sollen üben, ihre eigenen Bedürfnisse wahrzunehmen, sich von ihnen leiten zu lassen und sich ausprobieren zu können. Jeden Montag gäbe es eine “Kinderkonferenz”, in der die Kinder äußern könnten, was sie sich für die Woche wünschen, erklärt Frau Müller.  

Entwickelt wurde das Kita-Konzept von den pädagogischen Fachkräften in Zusammenarbeit mit dem Fachbereich „Spiel und Lerndesign“ der Hallenser Kunsthochschule Burg Giebichenstein. Es schlägt sich nicht nur in der pädagogischen, sondern auch in der architektonischen Gestaltung der BurgKita nieder: Viele große und helle Räume eröffnen den Kindern ein spannendes und experimentierfreudiges Lernumfeld. Auch die Erzieher*innen genießen einen großen Gestaltungsspielraum. „Sie können ihre Interessen und Ideen einbringen“, erklärt Frau Müller. Jeden Morgen bespreche das Kollegium, was für den Tag anstehe und entscheide dann gemeinsam, wer welche Aufgaben übernehme. Um die Aktivitäten rund um den Acker kümmern sich vier AckerErzieher*innen. Aber auch andere Kolleg*innen helfen: „Wenn jemand mal eine freie Minute hat, nimmt er sich eine Handvoll Kinder und schaut mit denen über den Acker, ob etwas zu erledigen ist“, erklärt Laura Berger, eine der AckerErzieher*innen. „Kleine Gruppen sind ganz wichtig, damit man Sachen besser erklären kann.“

Neu bei den Gemüsefreunden: Zwolo Zwiebel!

AckerErzieher Julian Kind übernimmt gern und oft das Vorlesen der AckerGeschichten, die zu den Begleitmaterialien der AckerRacker gehören. In den Abenteuern von Rudi Radieschen und seinen fünf Gemüsefreunden im AckerLand lernen die Kinder die wichtigsten Tätigkeiten auf dem Acker kennen. Damit sie sich besser an die Inhalte erinnern, lassen sich die AckerErzieher*innen jede Geschichte nach dem Vorlesen noch einmal Stück für Stück von den Kindern erzählen. „Die Kinder mögen die einzelnen Figuren total“, erzählt Laura Berger. Die Erzieher*innen der BurgKita haben deshalb zu jedem der Charaktere eine eigene Handpuppe genäht – und sogar einen weiteren Gemüsefreund erfunden: Zwolo Zwiebel! Beim Vorlesen der AckerGeschichten lässt Julian Kind die einzelnen Handpuppen sprechen und die Kinder damit voll und ganz ins AckerLand eintauchen. Auch Kitaleiterin Ramona Müller weiß, wie sehr sich die Kita-Kinder für die Gemüsefreunde und ihre Abenteuer begeistern: „Die Kinder strahlen dann immer so, wenn sie davon erzählen.“

Auf dem Acker können die Kinder dann selbst erleben, was sie vorher in den AckerGeschichten theoretisch erfahren haben. „Wenn die Kinder auf dem Acker sind, kommen ihnen Erinnerungen an die AckerGeschichten“, berichtet Laura Berger. „Dann beratschlagen sie sich, welche Aufgaben als nächstes anstehen und was ihnen zum Beispiel gegen die Schädlinge helfen könnte.“  Für die Kinder wachsen auf dem Acker nicht irgendwelche Pflanzen. Es sind Rudi Radieschen, Paulina Palmkohl und die anderen Gemüsefreunde, nach denen sie Ausschau halten.

Auch Julian Kind scheint einen besonderen Bezug zu Rudi Radieschen entwickelt zu haben. Es sei ein großer Aha-Moment gewesen festzustellen, wie viel Arbeit und Zeit es braucht, bis aus einem einzigen Radieschensamen ein Radieschen wächst. „Und im Supermarkt bekommt man einen Bund für 50 Cent – das ist schon verrückt!“, erzählt er entsetzt. Auch AckerErzieherin Laura Berger staunt, wenn sie die eigene AckerErnte mit dem täglichen Lebensmittelangebot vergleicht: „Es hat mich überrascht, wie viele unterschiedliche Sorten bei uns im heimischen Garten wachsen, wovon aber im Supermarkt kaum etwas angeboten wird.“

Die Ernte gemeinsam verkosten

Das Gemüse wandert in der BurgKita direkt „vom Acker auf den Tisch“, erzählt Kitaleiterin Ramona Müller. Das Thema gesunde Ernährung wird an der Kita großgeschrieben. Zwei Mitarbeiter*innen haben eine Weiterbildung bei der Bildungsinitiative „Ich kann kochen!“ der gemeinnützigen Sarah Wiener Stiftung absolviert und sich als “Genussbotschafter” qualifizieren lassen. Fast jede Woche finden daher Koch- und Backangebote in der BurgKita statt: Gemeinsam wird Obst und Gemüse verkostet, eigenes Brot gebacken, oder zum Beispiel Saft oder Kräuterbutter selbst hergestellt. „Da stehen die Kinder total drauf, das selbst machen zu dürfen“, berichtet Ramona Müller. Es sei eine wichtige und „ganz andere“ Erfahrung, selbst aktiv zu werden, statt nur den Eltern oder Erzieher*innen zuzuschauen. Auf diese Weise würden die Kinder dann auch mal feststellen, „dass der Schnittlauch scharf sein kann und in den Augen brennt.“ Dass die Kinder der BurgKita den ganzen Prozess der Wertschöpfungskette erleben – vom Einpflanzen über die Pflege bis zur Ernte und Verarbeitung – sieht Ramona Müller als sehr bereichernd. Nur so können sie verstehen, wo unsere Lebensmittel herkommen, findet sie.

Nicht nur das Gemüse wächst auf dem Acker

Die AckerFläche der BurgKita ist von einem Blumen- und Naschgarten mit Obststräuchern und Tomatenpflanzen umgeben. Entstanden ist der bunte Garten im Jahr zuvor durch die Unterstützung der Eltern: „Unsere Eltern bringen sehr häufig Pflanzen mit, die sie im eigenen Garten übrighaben“, erzählt Holy Andrianja, eine der AckerErzieher*innen. Das Einpflanzen und die Pflege übernehmen bisher vor allem die Erzieher*innen. Ramona Müller wünscht sich für die Zukunft auch mehr Eltern auf dem Acker. „Es wäre toll, wenn die Eltern mit ihrem oder mit zwei, drei anderen Kindern zusammen zum Unkraut jäten kommen oder gemeinsam mit den Kindern die Pflanzen, die sie selbst zu Hause vorgezogen haben, bei uns einsetzen.“

Obstbüsche waren die ersten Pflanzen, an denen sich die BurgKita ausprobiert hat. Danach sei es immer mehr geworden, erzählt Frau Müller. „Es bekommt eine Eigendynamik und wächst.“ Das Erfolgsrezept? „Einfach anfangen und loslegen. Das kommt dann schon mit der Zeit.“ Julian Kind stimmt zu: „Wir alle, wir Ackererzieher und die Kinder, wachsen genauso wie das Gemüse an dem Ganzen. Wir wachsen mit unseren Erfahrungen, unseren Fähigkeiten. Wir alle lernen etwas dazu. Niemand weiß alles. Das ist etwas Tolles, was man vermitteln sollte und was bei AckerRacker vermittelt wird.“ Und so räkeln sich an der BurgKita inzwischen auch die AckerPflanzen stolz gen Sonne und wachsen – „auf einem Boden, bei dem man dachte, niemals blüht hier etwas.“