Mitmachen 04. Mai 2023

Rot wie ’ne Kartoffel: Warum wir die biologische Vielfalt brauchen – und sie uns

Rote Kartoffeln statt Roter Liste: Lies hier, was biologische Vielfalt ist und was wir für sie tun können. © Foto: Karsten Ellenberg

Welche Farbe haben eigentlich Maiskolben? Ganz genau: Bunt natürlich!

Wenn du jetzt „gelb“ gedacht hast, bist du nicht allein. Dass es über 10.000 Maissorten in den unterschiedlichsten Farben gibt, lassen weder Gemüseregale noch Konservendosen erahnen. Kein Wunder: Der Anbau von Mais für den menschlichen Verzehr beschränkt sich auf wenige, recht ähnliche Sorten und steht somit sinnbildlich für eine weltweite Entwicklung, die viele Pflanzen, Tiere und schließlich auch uns Menschen betrifft: den Verlust der biologischen Vielfalt.

Was es mit der sogenannten Biodiversität auf sich hat, warum sie auch in unserem Alltag eine Rolle spielt und wie wir im Beet und auf dem Balkon zu ihrem Erhalt beitragen können, erfährst du in diesem Artikel.  

Was ist Biodiversität?

Biodiversität meint die Vielfalt des Lebens auf der Erde. So simpel die Definition, so komplex ihr Inhalt – zumal bei schätzungsweise 100 Millionen Tier- und Pflanzenarten. Die Forschung untersucht die biologische Vielfalt daher in drei Bereichen: die Vielfalt der Ökosysteme, die Artenvielfalt und die genetische Vielfalt

1. Vielfalt der Ökosysteme

Der Begriff „Ökosystem“ beschreibt das Zusammenwirken und -leben aller Lebewesen in einem bestimmten Lebensraum. So kann etwa ein Wald als Ökosystem betrachtet werden, in dem Bäume, Moose, Pilze, Bakterien, Insekten, Säugetiere und weitere Organismen zusammenleben. Der Lebensraum umfasst in diesem Beispiel den Boden, Gestein, Bäche, die Luft in der Atmosphäre und so weiter.

Je nach Definition gilt auch ein Garten als Ökosystem – oder ein Ozean. Klar ist: Unser Planet besteht aus einer Vielfalt unterschiedlicher, miteinander verbundener Ökosysteme, von denen jedes einzelne zur gesamten Biodiversität beiträgt.

Wie menschliches Handeln diese Vielfalt bedrohen kann, belegt der Aralsee in Zentralasien – oder das, was von ihm übriggeblieben ist. Früher ein gigantischer Salzsee von der Größe Bayerns, trocknete das Gewässer durch starke landwirtschaftliche Nutzung aus und besteht heute zum größten Teil aus Wüste. Die Folge: immer weniger Fische – und immer weniger Fischer*innen.

2. Vielfalt der Arten

 Ob See, Wüste oder Regenwald: Jedes Ökosystem beinhaltet eine Vielzahl unterschiedlicher Arten, die oft in sehr komplexen und vielschichtigen Beziehungen mit- und voneinander leben. 

Über zwei Millionen Arten von Lebewesen kennt die Wissenschaft bis heute – und das ist nur die Spitze des Eisbergs, versichern Forscher*innen. Doch auch wenn viele Arten noch nicht entdeckt sind: Die Zahl der bekannten Arten geht seit Jahrzehnten zurück und das liegt auch am menschlichen Wirken.

Der eingangs erwähnte Mais zum Beispiel zählt gemeinsam mit Weizen und Reis zu den lediglich drei Arten, die heute 50 % der Welternährung ausmachen. Laut Schätzung der UNO sind durch diese Einschränkung in den letzten 100 Jahren fast drei Viertel aller Nutzpflanzen verloren gegangen, da sie auf den Äckern der kommerziellen Landwirtschaft schlicht keinen Platz oder keine Beachtung mehr fanden.

Dass sich die moderne Agrarwirtschaft auf wenige hochgezüchtete Arten und Sorten fokussiert, hat durchaus Vorteile, gerade für die zuverlässige Versorgung von Millionen Konsument*innen: Die verwendeten Sorten versprechen eine sehr effiziente, einheitliche und somit besser planbare Ernte – von äußeren Faktoren wie Dürre und Hagel einmal abgesehen.

Doch in dieser Einheitlichkeit liegt auch eine Schwäche, denn nur Vielfalt macht auf lange Sicht stark. Ein Ökosystem mit vielen unterschiedlichen Arten und Sorten kann flexibler auf Umweltveränderungen reagieren – angesichts des Klimawandels ein bedeutender Vorteil.

Nicht zuletzt profitieren auch wir Konsument*innen von einem vielfältigen Nahrungsmittelangebot: Mehr Arten und Sorten bedeuten mehr Abwechslung, mehr Genuss und mehr Alternativen, beispielsweise für Allergiker*innen.

3. Genetische Vielfalt

Jedes Lebewesen ist einzigartig, daher gilt in der Regel: Je mehr Individuen eine Art hat, desto breiter ist das Spektrum an unterschiedlichen Eigenschaften in ihrem Genpool. Diese genetische Vielfalt erlaubt es, dass sich Tier- und Pflanzenarten durch fortwährende Evolution an verändernde Umweltbedingungen anpassen können. So können beispielsweise einzelne Pferde mit besonders dichtem und langem Fell in kältere Klimazonen vordringen als viele ihrer Artgenoss*innen und dort neue Lebensräume für ihre Art erschließen.

Bei Nutzpflanzen zeigt sich die Vielfalt innerhalb einer Art auf Ebene der verschiedenen Sorten, aber auch der einzelnen Individuen. Eine wichtige Rolle spielt das bei der Züchtung neuer Sorten, für die Züchter*innen oft Pflanzen mit gewünschten Eigenschaften auswählen – zum Beispiel Exemplare, die sich als besonders widerstandsfähig gegen bestimmte Krankheiten gezeigt haben.

Rette sie, wer kann: 3 Tipps für mehr biologische Vielfalt im Garten und auf dem Balkon

Um etwas für den Erhalt der biologischen Vielfalt zu tun, musst du weder Pferde mit langem Fell züchten noch eimerweise den Aralsee wiederauffüllen. Viel einfacher geht’s auf deinem Balkon oder in deinem Garten – mit diesen drei Tipps:

drei Frauen begutachten eine Palmkohlpflanze in einem Gemüsebeet

Vielfalt-Tipp Nr. 1

Baue dein eigenes Gemüse an!

Damit leistest du bereits einen wichtigen Beitrag zur biologischen Vielfalt: Ohne die Pflanzen in deinem Beet oder Balkon wäre die von dir angebaute Pflanzenart und -Sorte um ein paar Exemplare ärmer.

Ebenfalls nicht zu unterschätzen ist die Breitenwirkung von privatem Gemüseanbau: Bauen viele Menschen in verschiedenen Regionen eine Art an, so müssen sich die einzelnen Pflanzen an teils sehr unterschiedliche Anbaubedingungen anpassen. Davon profitiert auch die genetische Vielfalt.

(Foto: Acker e. V. / Lena Giovanazzi) 

Saatgut verschiedener Gemüsepflanzenarten in Gläsern

Vielfalt-Tipp Nr. 2

Wähle alte und regionale Gemüsesorten

Im Gegensatz zu den auf Gleichförmigkeit und Effizienz gezüchteten Sorten sind sogenannte alte Sorten weniger einheitlich und daher umso wichtiger für die Biodiversität unserer Kulturpflanzen.

Baust du regionale Sorten an, profitierst du zudem von ihrer genetischen Vielfalt, da sich die Pflanzen der Sorte über Generationen hinweg an die örtlichen Verhältnisse angepasst haben.

Alte und regionale Sorten erhältst du zum Beispiel bei Saatgutvereinen und -initiativen wie VEN, VERN e. V. oder Saat:gut e. V.

(Foto: Laura Droße) 

ein Junge erntet eine Bete aus einem Hochbeet, ein Mann steht im Hintergrund

Vielfalt-Tipp Nr. 3

Beachte Fruchtfolgen und Mischkultur beim Anbau

Baust du viele verschiedene Arten an, sorgst du nicht nur für Abwechslung im Beet und auf dem Teller. Wenn du dabei Fruchtfolgen und Mischkulturen beachtest, kommt das auch deinen Pflanzen und dem Boden zugute, denn so nutzt du die Bodennährstoffe optimal.

Fruchtfolge

Die Fruchtfolge beschreibt die zeitliche Abfolge der Pflanzen im Beet. Manche Arten haben einen hohen Nährstoffbedarf (sog. Starkzehrer, z. B. Kürbisse), andere einen niedrigeren (sog. Schwachzehrer, z. B. Bohnen).

Wir empfehlen die Fruchtfolge Starkzehrer – Mittelzehrer – Schwachzehrer – Bodenpflege (z. B. mit Mulch), bevor der Kreislauf wieder von vorne beginnt.

Mischkultur

Bei einer Mischkultur baust du Pflanzen verschiedener Arten und Sorten gleichzeitig an – mitunter sogar im selben Beet. So können sich manche Pflanzenarten gegenseitig ergänzen und stärken, etwa der Mais (Familie der Süßgräser) und die Gurke (Familie der Kürbisgewächse).

Recherchiere am besten vor deiner Anbauplanung, welche Arten sich gut miteinander vertragen und welche du besser nicht im selben Beet anbauen solltest.

Schöner Nebeneffekt: Ein buntes Beet lockt Bienen in deinen Garten oder auf deinen Balkon. Damit tust du also auch etwas Gutes für die Artenvielfalt im Tierreich!

(Foto: Katharina Kühnel) 

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