Acker News 08. April 2024

Von Anfängergemüse und Pfirsichtomaten – Judith Rakers im Interview

Judith Rakers im Garten © Jukers and More GmbH

Sie weiß aus eigener Erfahrung, wie aus einem kleinen Samen ein großer bunter Gemüsegarten wird – jetzt setzt sie sich gemeinsam mit Acker für eine nachhaltigere Gesellschaft ein: Judith Rakers ist nicht nur Moderatorin des Acker-Podcasts, sondern auch unsere erste weibliche Ackerbotschafterin! Im Interview erzählt uns die ehemalige Tagesschausprecherin von ihrer kleinen Farm, ihrem Weg zur Selbstversorgerin und den besten Tipps für einen erfolgreichen Start in den Gemüseanbau.  

Acker: Herzlich willkommen im Kreis der AckerBotschafter*innen, wir freuen uns sehr! Warum bist du überzeugt davon, dass wir gemeinsam etwas bewegen können? 

Judith: Wir teilen die gleiche Leidenschaft und haben dasselbe Ziel vor Augen. Auch ich versuche, Menschen jeglichen Alters für den Gemüseanbau und sogar die Hühnerhaltung im eigenen Garten zu begeistern. Ich möchte zeigen, dass es auch Anfängern gelingt, wieviel Spaß es macht und warum es so viele Vorteile hat, Lebensmittel selbst anzubauen und sich bewusst zu ernähren. Genau wie ihr. 

Acker: Warum lohnt es sich, sein eigenes Gemüse anzubauen? 

Judith: Es lohnt sich aus so vielen Gründen … Ich versuche es mal in kurz: Man hat die kürzeste Lieferkette der Welt, ist unabhängig von Ladenöffnungszeiten und holt sich die Vielfalt der Natur frisch auf den Teller. Das geht nicht nur im Garten, sondern auch auf dem Balkon. Gemüse ist genauso bunt und schön wie Zierpflanzen, aber man kann es eben auch essen. Außerdem entwickelt man mehr Wertschätzung für Lebensmittel, wenn man sie selbst angebaut hat.  

Acker: In den letzten Jahren bist du von der kompletten Gartenanfängerin zu Selbstversorgerin geworden. Wie kam das? 

Judith: Ich gehörte immer zu den Menschen, die wirklich gar keinen grünen Daumen haben. Bei mir ist jede Zimmerpflanze eingegangen, bis ich irgendwann auf Plastikblumen umgestiegen bin, weil ich es leid war. Irgendwann habe ich aber diesen diffusen Wunsch in mir gespürt, mehr Natur in mein Leben zu lassen und das mit dem Gemüseanbau einmal auszuprobieren. Als diese Stimme in mir immer lauter wurde, habe ich es einfach gemacht: Ich bin aufs Land gezogen, habe den Rasen umgegraben und Gemüse eingesät. Direkt 20 Sorten, ohne jegliche Erfahrung – nur mit angelesenem Wissen aus Büchern und Online-Foren. Und dann kam der große Moment: Oh, es funktioniert wirklich! 

Acker: Damit hattest du nicht gerechnet. 

Judith: Stimmt (lacht). Ich dachte: Das klappt sowieso nicht bei mir. Dafür muss man bestimmt Gärtnerin sein oder ganz viel Vorerfahrung haben. Und dann wuchs das alles! Das war ein extremer Aha-Moment, zu erleben, dass das Gemüse wirklich von allein wächst: Ich muss es weder besprechen noch bespaßen – ich muss mit ein paar Handgriffen nur die richtigen Bedingungen schaffen, die Samen einsäen und dann passiert da was. Weil die Natur einfach wachsen will und eine eigene Kraft entwickelt.  

Acker: Du hast eben von deinem inneren Wunsch nach mehr Natur gesprochen. Bist du naturverbunden aufgewachsen? 

Judith: Ja, ich glaube, man hat in der Regel nur nach dem Sehnsucht, was man kennt. Ich bin sehr ländlich aufgewachsen, in einem kleinen Häuschen mit Garten am Waldrand. Ich war damals viel in der Natur unterwegs und habe mit Freundinnen und Freunden im Wald gespielt. Das war eine großartige, sehr naturnahe Kindheit. Als ich dann in die Pubertät kam, hat mich das nicht mehr so interessiert. Da wollte ich nur noch weg und habe davon geträumt, ein urbanes Leben in der großen Stadt zu führen, was ich dann auch 20 Jahre lang sehr glücklich getan habe. Vielleicht war diese Sehnsucht nach Natur also das innere Kind in mir, das sich geregt hat. Letztlich lebe ich jetzt hier tatsächlich so ähnlich, wie ich als Kind gelebt habe. 

Acker: Nur mit größerem Garten. 

Judith: Und mit vielen Tieren! Wovon ich damals nur geträumt habe: Ein Pferd im Garten und morgens im Schlafanzug die ersten Möhren füttern. So habe ich mir mein Pippi-Langstrumpf-Leben als Kind immer erträumt. Und so ist es jetzt auch gekommen. Wobei jetzt eben auch die Nutzpflanzen eine große Rolle spielen, die hatten wir früher überhaupt nicht im Garten – nicht mal Beerensträucher. Jetzt habe ich in meinem Garten mittlerweile mehr als 70 Obst- und Gemüsesorten und kann mich davon komplett ernähren. Und ich jäte sogar gern Unkraut, was ich als Kind maximal langweilig fand.  

Acker: Wie können wir uns deinen Garten vorstellen? Welches Gemüse finden wir da? 

Judith: Ich lege ganz besonderes Augenmerk auf seltene und historische Sorten, die kommerziell kaum angebaut werden, weil sie weniger ertragreich sind: Lila Blumenkohl, blauen Kohlrabi oder Pfirsichtomaten – die sind pastellgelb und haben eine flauschige Haut wie ein Pfirsich. Und meine Möhren sind natürlich zweifarbig: von außen lila und von innen orange. Das Gemüse bei mir im Garten begeistert also nicht nur durch seine Frische, sondern eben auch durch eine Farben- und Formenpracht, die es im Supermarkt nicht gibt. 

Acker: Noch ein Grund mehr, sein eigenes Gemüse anzubauen. Woran liegt es, dass nicht schon viel mehr Gemüse in Gärten, auf Balkonen oder Fensterbänken wächst? 

Judith: Viele Menschen denken, wenn man berufstätig ist, schafft man das nicht. Ich finde, es spart eher Zeit – wenn man es richtig macht. Ich kümmere mich allein um meinen Garten und habe das neben all meinen Tätigkeiten immer geschafft. Natürlich kannst du aus deinem Garten einen Vollzeitjob machen. Du kannst es dir aber auch einfach machen und dich trotzdem mit deinem eigenen Gemüse frisch und gesund ernähren und gleichzeitig zur Biodiversität beitragen. 

Acker: Anfang des Jahres hast du dein erstes Kinderbuch veröffentlicht. Warum lag es für dich nahe, nach zwei Gartenbüchern für Erwachsene jetzt auch gezielt Kinder für Natur und Gemüseanbau zu begeistern? 

Judith: Weil Kinder gar nicht mehr überzeugt werden müssen, sich für das Thema zu öffnen. Wenn Kinder aus der Familie oder Nachbarschaft bei mir zu Besuch sind, wollen sie sofort in den Garten und wissen, was da wieder alles in den Beeten wächst. Ich habe gepunktete Kartoffeln, die aussehen wie ein Clownfisch, eine bunte Mangoldsorte in Regenbogenfarben – die lieben die Kinder. Und wenn sie aus lilafarbenen Schoten knallgrüne Erbsen direkt vom Strauch naschen dürfen, sind sie auch begeistert.  Auch zu den Tieren im Garten haben sie sofort so viele Fragen: Natürlich zu den Hühnern, aber auch zum Maulwurf oder den Schnecken.  

Acker: Und diese Fragen werden im Buch beantwortet? 

Judith: Mein Kater Jack, den es wirklich gibt, führt die Kinder im Buch durch den Garten. Die Kinder erleben mit ihm Abenteuer und bekommen nebenbei ganz viel Wissen über Gemüseanbau vermittelt – ohne erhobenen Zeigefinger. 

Acker: Jack würde sich sicher gut mit Rudi Radieschen verstehen, der in unseren AckerGeschichten Abenteuer auf dem Gemüseacker erlebt.  

Judith: Oh ja! Je mehr Kinder wir gemeinsam für das Thema begeistern, desto besser ist es! Nicht nur für die persönliche Entwicklung der Kinder, sondern auch gesamtgesellschaftlich, denn was wir lieben, das schützen wir.  

Acker: Wie stellst du dir eine nachhaltigere Gesellschaft vor? 

Judith: Ich glaube, das Stichwort ist Bewusstsein. Bewusstsein für die Welt, die uns umgibt. Und Respekt. Wenn man die Natur respektiert und sich der Verletzlichkeit unseres Ökosystems bewusst ist, ist man auch bereit, etwas dafür zu tun. Dann ist man auch bereit zu verzichten – und vielleicht fühlt sich der Verzicht dann gar nicht mehr an wie Verzicht. Ich glaube, das wird der Schlüssel sein für unsere Zukunft.  

Acker: Was muss jetzt passieren, um diesen Wandel voranzutreiben? 

Judith: Ich denke, es ist wichtig, diesen Wandel auf eine positive Art und Weise anzugehen, ohne Verbote und ohne Zwang. Wir müssen es schaffen, dass die Nachhaltigkeitsbewegung positiv besetzt ist.  

Acker: Und wie schaffen wir das? 

Judith: Nachhaltigem Handeln liegen oft altruistische Motive zugrunde: Ich verzichte, um für Gesellschaft, Natur und Nachwelt etwas Gutes zu tun. Ich glaube, dass es gut ist, diesen Motiven auch ein paar egoistische Beweggründe mit an die Seite zu stellen. Zu sagen: Schau, wie du mit diesem Thema dein eigenes Leben konkret bereichern kannst! Guck dir an, welche Vielfalt du auf deinen Teller holen kannst, wenn du den Platz im Garten oder Balkon an Gemüse und Nutzpflanzen gibst. Wir müssen die Schönheit und Sinnlichkeit vermitteln, die man sich dadurch in sein eigenes Leben holt.  

Acker: Nochmal zurück in den Garten. Als Host des Acker-Podcasts lässt du dich von deinen prominenten Gäst*innen durch ihre Gärten führen. Worauf bist du besonders neugierig, wenn du einen fremden Garten betrittst? 

Judith: Für mich gibt es nur noch die Unterscheidung in essbare und nicht essbare Gärten (lacht). Ich schaue deshalb immer zuerst: Ist da irgendetwas Essbares in diesem Garten? Und dann tue ich das, was ich immer tue, wenn ich in einem fremden Garten bin: Ich fange sofort an Tipps zu geben, wie man den Garten noch leckerer machen kann. Schlimm! (lacht)  

Acker: Gibt es eigentlich auch ein Gemüse, an dem selbst du beim Anbau so richtig verzweifelst? 

Judith: Es ist inzwischen wirklich wenig, ich habe eigentlich alles im Griff. Aber Paprika und ich … – ich weiß nicht. (lacht) Ich habe jetzt schon viele Sorten ausprobiert und mittlerweile wachsen da auch Paprika, aber irgendwie werden die klein und schmecken leicht bitter. Paprika sind das einzige Gemüse, das mir in der 0815-Form aus dem Supermarkt besser schmeckt.  

Acker: Dann wissen wir jetzt, welche Antwort du auf unsere Abschlussfrage sicher nicht geben wirst: Welche drei Gemüse sollten in keinem Gemüsegarten fehlen? 

Judith: Da würde ich unbedingt danach unterscheiden, wie hoch der Erfahrungsgrad des oder der Gärtnernden ist. In meiner Welt unterteile ich Gemüse nämlich in Anfängergemüse und Gemüse für Fortgeschrittene und Leidensfähige. Für Anfänger*innen würde ich sagen: Auf jeden Fall Pflücksalat und Radieschen. Die musst du nur einsäen, ab und zu gießen und nach 4 bis 6 Wochen ernten. Und Mangold. Der wächst immer wieder nach, wenn du nur die äußeren Blätter abschneidest, das motiviert natürlich.  

Acker: Und für Fortgeschrittene?  

Judith: Wenn du schon ein bisschen was kannst, sollten Tomaten auf jeden Fall im Garten sein. Am liebsten eine Sorte, die nicht rot und rund ist – die haben wir ja schon im Supermarkt. Auch Kartoffeln sind super und gehen übrigens auch in einem Sack am Fenster oder auf dem Balkon. Und sie sind auch so wahnsinnig effektiv: eine Kartoffel im April rein ins Beet und 10 bis 15 im Sommer wieder raus – inklusive Goldgräberstimmung. Nur zwischendurch zwei Mal anhäufeln. Und dann am besten auch hier besondere Sorten. Ach, es wartet einfach so viele Schönes im Gemüsegarten!  

Acker: Vielen Dank, liebe Judith! 

Lust auf weitere spannende Artikel rund um Natur, Lebensmittel und unser Sozialunternehmen?