Acker Porträt 01. August 2021

Die AckerPerle Grundschule Zweitälerland

So sieht eine erfolgreiche Ernte aus! Grundschule Zweitälerland

Kerstin Framenau und Anja Jung sind AckerLehrerinnen an der Grundschule Zweitälerland in Gutach im Breisgau. Beide sind leidenschaftliche Gärtnerinnen und gemeinsam meistern sie die vielen kleinen und großen Herausforderungen ihres SchulAckers. Und weil die Grundschule Zweitälerland ihren Acker und die GemüseAckerdemie besonders erfolgreich integriert hat, gehört sie zu unseren „AckerPerlen“. Für diese Rubrik haben wir im Rahmen unserer Wirkungsanalyse Interviews mit den Schulleitungen, Lehrer*innen und Schüler*innen von AckerSchulen gemacht, die durch ihre besonderen Schulkonzepte auffallen. Um ein umfassendes Bild vermitteln zu können, stellen wir euch insgesamt neun dieser AckerPerlen in den kommenden Wochen vor. Heute kommt die dritte AckerPerle: Die Grundschule Zweitälerland Gutach im Breisgau!

Autorin: Lena Hetzer / Ackerdemia e.V.
Fotos: Grundschule Zweitälerland

Steckbrief 

Ort: Gutach im Breisgau

Bundesland: Baden-Württemberg

Schulform: Grundschule (Ganztagsschule)

Schüler*innen: circa 200 

AckerKlassen: 3. Klassenstufe

Lehrer*innen / Schulteam: 17 

Anzahl AckerLehrer*innen:

AckerSchule seit: 2018 

Größe des Ackers: 100 m2 

„Zusammen sind wir bunt“ – mit diesen Worten, die farbenfroh im Eingangsbereich der Schule hängen, wird man als Besucher*in der Grundschule Zweitälerland in Gutach empfangen. „Dieser Grundsatz zieht sich bei uns durch alle Bereiche unserer Schule,“ erklärt Kerstin Framenau, die seit elf Jahren an der Schule als Schulleiterin tätig ist. Die Schüler*innen, von denen ein Teil Migrationserfahrungen mitbringt, tragen zu einer großen sprachlichen und kulturellen Vielfalt bei. In der Schule herrscht eine sehr familiäre Atmosphäre. „Wir haben wenig Wechsel im Kollegium, man kennt die meisten Eltern, ich kenne fast jeden Schüler mit Namen“, erklärt Frau Framenau.

Die bereichernde und gelebte Vielfalt lässt sich nicht nur unter den Schüler*innen, sondern auch auf dem Gemüseacker finden. Hier residieren viele verschiedenen Gemüsesorten, Obstbäume, Sträucher, Bienen und sogar Hühner. Die Grundschule Gutach ackert im vierten Jahr mit der GemüseAckerdemie. Der Start war nicht leicht: „Einen Acker zu finden, war eine große Herausforderung“, erinnert sich Frau Framenau. Die Gemeinde stellte ihnen dann eine Wiese zu Verfügung, auf der der Acker angelegt wurde. „Das erste Jahr war anstrengend,“ erzählt Frau Jung, die den AckerUnterricht im ersten Jahr geleitet hat. So musste zunächst der Boden von großen Steinen und Stöcken befreit werden. Auch wurden unzählige Gießkannen geschleppt, da der Wasseranschluss einige Meter entfernt lag und das erste AckerJahr von einem unglaublich trockenen Sommer geprägt war.

Die Erfahrung, dass Gärtnern mit großer Anstrengung, aber auch mit viel Freude verbunden ist, war für Frau Framenau und Frau Jung keineswegs neu. So startete Frau Framenau ihre berufliche Laufbahn als Gemüsegärtnerin und Frau Jung bewirtschaftet seit vielen Jahren einen eigenen Gemüsegarten zuhause. Zusammen meisterten sie die vielen kleinen und großen Herausforderungen des ersten AckerJahres. „Für den Start war es einfach die super Kombination zwischen Frau Framenau und mir, weil wir das beide immer schon leidenschaftlich gern gemacht haben“, resümiert Frau Jung. Frau Framenau holte die GemüseAckerdemie an die Schule, da sie fest davon überzeugt ist, dass der Acker ein lebensnahes und zukunftsorientiertes Lernen ermöglicht. Sie erklärt: „Mir ist es ein großes Anliegen den Kindern zu zeigen, wie wichtig der Umgang mit den Ressourcen unserer Erde ist.“

Damit Frau Framenau den Kindern ihre Begeisterung für Naturzusammenhänge bestmöglich mit auf ihre Lebenswege geben kann, übernimmt sie den Sachunterricht der 3. Klassen, in denen der AckerUnterricht integriert ist. Mit Beginn der AckerSaison im Frühjahr stehen bei den Drittklässlern nachmittags zwei Stunden Sachunterricht zusätzlich auf dem Stundenplan. In diesen Stunden gehen sie gemeinsam auf den Acker. Frau Jung steht Frau Framenau tatkräftig zur Seite und übernimmt immer dann den AckerUnterricht, wenn sie selbst Klassenlehrerin einer 3. Klasse ist.

Auf die Frage, wie sich der AckerUnterricht gut mit den Inhalten des Sachunterrichts verbinden lässt, antwortet Frau Jung: „Es sind viele Aspekte im Bildungsplan, die durch die GemüseAckerdemie abgedeckt werden. Man macht es dann ein bisschen anders, als man es geplant hätte: praxisnah und eher an der Lebensrealität orientiert.“ Beispielsweise hat sie mit den Kindern die Raupen des Kohlweißlings gesammelt, mit ins Klassenzimmer genommen und gefüttert, als das Thema „Nützlinge und Schädlinge“ auf dem Plan stand. „Wir haben beobachtet, wie der Kohlweißling sich verpuppt hat und ihn dann auch fliegen lassen, als er geschlüpft war. Diese Metamorphose zu beobachten – das war für die Kinder ganz toll, und für mich auch.“

Frau Jung schätzt am Acker vor allem das ganzheitliche und zielorientierte Lernen: „Im Klassenzimmer ist es für die Kinder oft gar nicht so ersichtlich, warum sie bestimmte Dinge lernen. Das erklärt sich für sie auf dem Acker viel besser.“ Dort wird zum Lerngegenstand, was sich gerade abspielt. „Wir haben dann aus Spaß mal eine Zucchini nicht geerntet und geschaut: Wie groß wird die denn eigentlich?“, erinnert sie sich. Klara, 10 Jahre, hat auf dem Acker zum ersten Mal erfahren können, was für eine Vielfalt an Möhren die Natur hervorbringt: „Eine war dann riesig und dick und die anderen waren mini. Dann war da noch so eine ganz große, die war lila innen drin. Also die waren richtig unterschiedlich und das fand ich echt schön!“

Das geerntete Gemüse wird größtenteils zusammen mit den Kindern in der Schule verarbeitet und gegessen. Lore, 9 Jahre, fand die Zucchinimuffins besonders lecker. Auch die Mangoldquiche kam bei den Kindern gut an. Zwei Mütter staunen über die positive Reaktion gegenüber Mangold: „Wenn ich Mangold zuhause angepflanzt hätte, weiß ich nicht, ob mein Sohn ihn probiert hätte.“ Frau Jung bestätigt: „Es waren viele Kinder, die nach AckerStunden viel offener waren, mal etwas Neues zu probieren.” Auch Frau Framenau hat eine neue Liebe entwickelt: „Seit wir selbst auf dem Acker ernten, könnte ich jeden Tag Rote Bete essen,“ erzählt sie lachend.

Nicht nur das Gemüse sorgt für neue Erkenntnisse. „Auf der anderen Seite sind die ‚Aha-Erlebnisse‘, die Klassenkameraden kennenzulernen, die ihr Wissen und Können auf dem Acker viel besser unter Beweis stellen können als im Unterricht“, erklärt Frau Jung. Frau Framenau ergänzt: „Gerade die Kinder, die in Deutsch und Mathe schwach sind, sind oft praktisch sehr veranlagt. Und die sind plötzlich der King im Garten. Das ist wichtig, dass diese Kinder die Chance haben, sich gut darzustellen.“ Frau Jung genießt es selbst, die Kinder von einer anderen Seite zu sehen, losgelöst vom Leistungsdenken. Auf dem Acker entstehen ganz neue Verbindungen, welche die Klassengemeinschaft stärken. Frau Jung erinnert sich an „eine Gruppe, die immer am Ackerrand saß und die Erde nach Tieren durchwühlt hat. Die haben kaum mitgeackert, aber sie hatten wahnsinniges Interesse an diesen Krabbeltierchen. Das war dann wirklich so eine Ackergang, die sonst eigentlich nicht zusammen war, aber kaum war Ackerzeit, haben die wieder nach ihren Tierchen geguckt.“ Auch Lena, 10 Jahre, schätzt am AckerUnterricht den Kontakt zu anderen Mitschüler*innen: „Für mich war es das Wichtigste rauszukommen und Zeit mit den anderen zu verbringen. Weil in der Pause spielt man ja nur Bestimmtes mit denen.“

Dass der Acker sich so gut an der Schule entfalten konnte, ist einem breiten Unterstützer*innenkreis zu verdanken. So bat Frau Framenau im ersten Jahr die Eltern der Drittklässler um Mithilfe beim Umgraben. Für einen Teil von ihnen war dies der Anfang eines langjährigen Engagements. Einige Eltern, z.B Frau Allgeier, Frau Biehler, Frau Boland und Frau Maschke übernehmen noch heute regelmäßige Aufgaben wie das Gießen, Unkraut jäten und das Ausmisten der Hühnerställe. Sie sprechen sich untereinander ab, wer was übernimmt. „Ich finde es ganz wichtig, dass man ein festes Team von Eltern hat, auf das man sich 100 Prozent verlassen kann und das Verantwortung übernimmt“, erklärt Frau Framenau und ergänzt: „Die Eltern wissen halt auch sehr viel. Sie sind ständige Begleiter und Ideenratgeber.“ Frau Maschke geht mit ihren Söhnen Nils und Urs fast täglich zum Acker. „Die GemüseAckerdemie hat bei uns ganz viel hinterlassen“, erzählt sie und berichtet unter anderem, selbst wieder mehr auf regionale Ernährung zu achten. Auch der Hausmeister, Herr Rissler beteiligt sich mit großer Freude am AckerGeschehen: „Ohne sein großes Wissen und sein handwerkliches Geschick hätten wir heute keinen so wunderschönen Acker“, erzählt Frau Framenau.

Der Acker bekommt nicht nur Besuch von den AckerSchüler*innen. „Inzwischen gibt es kaum eine Klasse, die nicht ab und zu den Acker, die Hühner und die Bienen besucht“, erzählt Frau Framenau stolz. Manche Kolleg*innen nehmen die Schüler*innen mit zum Acker, um das Wachsen und Gedeihen einfach zu beobachten und manche verbinden es mit Unterrichtsinhalten. Den Erstklässlern wird so früh wie möglich der Acker gezeigt, „damit sie von Anfang an wissen, dass er zur Schule gehört“, berichtet Frau Jung. Auch andere Arbeitsgemeinschaften knüpfen an den Acker an. Die AG „Naturforscher“ kümmert sich um die Honigbienen, die AG „Küchenprofis“ verarbeitet das Gemüse. „Wir haben mehrere Projekte und Konzepte, die Hand in Hand gehen und zu denen der Acker sehr gut passt.“

Nachhaltig in verschiedensten Kontexten zu agieren hat an der gesamten Schule eine große Bedeutung. „Wir orientieren uns an den 17 Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen. Das ist so unser großes Bild, das überall hängt“, beschreibt Frau Framenau. Um die Ziele im Unterrichtsgeschehen zu verankern, hat sie mit zwei Kolleg*innen eine „Nachhaltigkeitsgruppe“ gegründet. So findet man beispielsweise das Thema „Müll“ im Unterricht jeder Jahrgangsstufe wieder. Die Kinder nähern sich der Problematik in der ersten Klassenstufe auf leichtem Niveau. In den darauffolgenden Jahren vertiefen die Kinder ihr Wissen und erlernen Müllvermeidungsmöglichkeiten, indem sie bspw. Stofftaschen für Gemüse und Obst selbst nähen. Frau Framenau nutzt jede Chance, um den Kindern Möglichkeiten zu zeigen, Plastikverpackungen zu vermeiden. Die Kinder schreien laut auf, wenn sie sehen, dass ihre Eltern verpacktes Gemüse kaufen, erzählt Frau Maschke. Frau Framenau setzt sich voll und ganz für ihre Ideale ein, obwohl sie weiß, dass sie ab und zu auf Widerstand stößt.

Viele ehrenamtliche Stunden und auch finanziell ein nicht unerheblicher privater Teil fließt in die Ausgestaltung einer zukunftsorientierten Bildung. Frau Framenau kämpft für eine nachhaltig agierende Gesellschaft und wünscht sich mehr Anerkennung und Unterstützung vom Schulamt und Kultusministerium in Form von zusätzlichen Lehrerstunden. „Es macht mich traurig, dass man solch gute Ideen nicht ausreichend fördert und den wichtigen Stellenwert dieses Projekts vielleicht noch nicht ganz erkannt hat.“, erklärt sie. Auch über mehr Anerkennung und Unterstützung von Seiten der Gemeinde würde sich die Schule freuen. Die Schüler*innen wünschen sich ähnliches. Lionel, 10 Jahre, erklärt: „Wenn ich Schulleiter wäre, dann würde ich mit den Schüler*innen mehr auf den Acker gehen. Wir waren nur einmal in der Woche. Das war ein bisschen mickrig. Ich würde sagen, dass man zweimal oder dreimal in der Woche geht. Und dass man den Acker vergrößert.“

„Durch die Verzahnung von Theorie und Praxis und durch den Bezug zum Leben der Kinder leistet die GemüseAckerdemie einen wichtigen Beitrag zu den immer aktuelleren Themen unserer Gesellschaft wie Klimaschutz, Ernährung und den Umgang mit unseren Ressourcen,“ erklärt Frau Framenau. „Die GemüseAckerdemie ist ein Projekt, das aus der Grundschule Zweitälerland nicht mehr wegzudenken ist. Wir sind allen sehr dankbar, die uns hierbei unterstützen.“