Acker Porträt 18. Juli 2024

„Ackern ist meine Hängematte“ – AckerCoachin Heidelinde Wutzler im Interview

So viel ehrenamtliches Engagement muss gefeiert werden: AckerCoach Heidi im eigenen Garten Heidelinde Wutzler

Von der Bodenprobe bis zur Pflanzung: Jahr für Jahr unterstützen knapp 500 Ehrenamtliche die Bildungsprogramme von Acker und sorgen mit Herz und Spaten für prächtige Gemüsebeete und leuchtende Kinderaugen. Was das Ackern mit den Kindern so besonders macht und welches Helferlein dabei auf keinen Fall fehlen darf, haben wir Heidelinde Wutzler gefragt, die uns bereits seit 2019 als AckerCoachin unterstützt.

Wer bist du und was machst du, wenn du nicht auf dem Acker stehst?

Ich bin Heidi, 39 Jahre alt, Diplomagraringenieurin und lebe mit meinem Mann und zwei Kindern auf einem Bauernhof. Hauptberuflich bin ich als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Politik angestellt. Neben- und freiberuflich gebe ich als Bauernhof-, Natur und Umweltpädagogin Workshops zu Themen rund um Garten und Landwirtschaft. 

Da reiht sich dein Ehrenamt bei Acker ja perfekt ein! Als AckerCoach gibst du an unseren Lernorten Pflanzworkshops für Pädagog*innen, begleitest aber auch die Pflanzungen mit den Kindern. Wie startest du in einen solchen Ackereinsatz?

Erst einmal stelle ich mich vor. Das ist wichtig für die Kinder. Sie wollen wissen: Wer ist denn die? Und was macht sie jetzt mit uns? Danach schauen wir uns in Ruhe die Jungpflanzen an und dann geht es zusammen zum Geräteschuppen, wo ich die Ackergeräte an die Kinder ausgebe. Das empfehle ich übrigens jeder*m AckerCoach*in – die Geräte auszugeben, statt 15 Kinder in den Geräteschuppen zu lassen. Sonst wird es ein heilloses Durcheinander und eventuell gibt es Verletzte (lacht).

Und wenn alle Geräte in sicheren Kinderhänden sind, wird gepflanzt. 

Genau, dann geht es auf den Acker. Dort zeige ich, welches Gemüse in welchem Beet wachsen soll und wie es gepflanzt, gesät, gelegt oder gesteckt wird. Und dann sind die Kinder dran. Ich lege Wert darauf, dass die Kinder ins Tun kommen und so viel wie möglich selbst machen: Das erste Pflanzloch buddelt die eine, das zweite der andere und am Ende der Reihe haben alle mal die Schaufel ausprobiert.

Du ackerst nicht nur an Kindergärten und Schulen sondern auch an Hochschulen der CampusAckerdemie. Wie unterscheidet sich die Arbeit mit Studierenden vom Ackern mit den Kindern?

Es ist insgesamt anspruchsvoller. Studierende müssen zum Beispiel auch den Beetplan lesen und die Einteilung der Beete selbst vornehmen können. Nur so können sie nach dem Studium den Acker an die Schulen und Kindergärten bringen. Außerdem müssen die Studierenden nicht nur lernen, wie man den Acker betreut, sondern vor allem, wie man sich gut auf unvorhergesehene Situationen einlässt. Im Berufsalltag als Pädagog*in läuft es selten so, wie man es am Abend vorher geplant hat. Deshalb stifte ich an den Hochschulen schon mal ein bisschen Chaos und tausche zum Beispiel die Pflänzchen in der Palette aus (lacht). 

Du ackerst schon im fünften Jahr mit uns – was motiviert dich?

Es ist jedes Mal ein Highlight, wenn die Kinder freudestrahlend und mit ausgebreiteten Armen auf mich zulaufen. Außerdem macht es mich immer wieder stolz zu sehen, dass die Kinder im Laufe des Jahres auf einmal Gemüse essen, das sie vorher eklig fanden oder gar nicht kannten und dass sie generell ihre Berührungsängste verlieren. Das ist das Schöne am Ackern: Der Ekel vor dem Regenwurm verschwindet und die Leidenschaft fürs Gemüse wächst. Das bewirkt richtig was.

„Es ist einfach super, dass ich meine Leidenschaften für Bildung, Pädagogik und das Gärtnern hier verbinden kann.“

— AckerCoach Heidi

Kannst du aus der Tätigkeit als AckerCoachin auch etwas für dich persönlich mitnehmen?

Neulich hat ein anderer AckerCoach zu mir gesagt: „Ackern ist meine Hängematte.“ Das würde ich unterschreiben. Es ist so erholsam rauszugehen und mit den Kindern zu arbeiten. In den zwei Stunden, die wir am Lernort sind, gibt es nur die Gemüsebeete und die Kinder, die vor einem stehen. Das macht den Kopf frei. Und es ist einfach super, dass ich meine Leidenschaften für Bildung, Pädagogik und das Gärtnern hier verbinden kann. Natürlich nehme ich dabei für meine eigenen Beete auch jede Menge mit: Mein ganzer Garten ist heute eine Mischkultur a la Acker.

Gibt es auch Herausforderungen, denen du auf dem Acker immer wieder begegnest? Oder liegst du tatsächlich die ganze Zeit in der mentalen Hängematte?

Nee, es ist auch immer wieder herausfordernd. Das Bildungsprogramm hat vor allem an Schulen oft nicht den Stellenwert, den wir uns wünschen würden. Der Acker ließe sich super in den Unterricht integrieren und passt auch in den Lehrplan, trotzdem ist er oft nicht Teil des Schulalltags. Wenn wir zwei motivierte Lehrkräfte an einer Schule haben, ist das schon viel – meistens sind es Alleinkämpfer, die das Programm an ihrer Einrichtung umsetzen. Als AckerCoachin berate ich hier so gut es geht, aber es bleibt eine Herausforderung, den Acker wirklich fest im Bildungsalltag zu verankern.

Umso schöner, dass du diese Mission mit uns vorantreibst! Was braucht ein guter AckerCoach deiner Meinung nach?

Ein gehöriges Maß an Spontaneität und eine gewisse Portion Humor und Selbstironie helfen ungemein. Außerdem sollte man absolut organisiert sein, ohne Organisationstalent macht es vermutlich keinen Spaß (lacht). Ach ja, und einen Gürtel! Es gibt nichts Peinlicheres als tiefe Ausschnitte vor den Kindern. Das ist allen Beteiligten unangenehm – ich spreche aus Erfahrung (lacht).  

Was sagst du allen, die jetzt überlegen, sich als AckerCoach zu bewerben?

Macht das, es fetzt! Das Acker-Team ist super und das, was man von den Kids zurückbekommt, gigantisch. Auch wenn es manchmal herausfordernd ist – die leuchtenden Kinderaugen am Beet sind es wert. Und es macht einfach Spaß, sonst wäre ich nicht mehr dabei.

Danke, Heidi!

Ihr müsst übrigens kein Ackerprofi wie Heidi sein, um Teil der AckerCoach-Community zu werden! Wir zeigen euch alles, was ihr braucht, um unsere Lernorte gut durchs AckerJahr zu führen. Eure Belohnung: Eine faire Aufwandsentschädigung, unvergessliche Ackermomente und jede Menge neues Gemüsewissen!

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